Das Geburtstagsgeschenk
meinen wir in Wirklichkeit, dass wir zweifeln, aber auch hoffen. Ist mir nur im Rückblick so, als spiegelte sich auf seinem Gesicht finstere Entschlossenheit? Wir trennten uns wenig später, sie fuhren zurück nach Westminster und wir nach Barnet-Hertfordshire, wo unsere drei Kinder meiner Mutter das Leben unerklärlich schwer gemacht hatten.
Ivor und Juliet werden an jenem Abend wohl über Ähnliches geredet haben wie wir schon zu viert. Iris und ich lagen noch lange wach und rätselten über den nächsten Schritt der Medien. Nachdem sie mit Damian Mason gesprochen hatten, lag es nahe, dass sie sich Gerry Furnal vornehmen würden. Viel hing davon ab, was Furnal sagen würde. Bisher hatte er geschwiegen, aber das war vor den Perlen gewesen, ehe er wusste, dass seine vergötterte Frau einen Liebhaber hatte. Die Frage war nur, ob Furnal bereit war, sich als betrogener Ehemann zu outen und ob er es wagen würde, Vorwürfe gegen einen Minister der Krone zu erheben. Iris war davon überzeugt. Ich war skeptischer.
»Wenn er es fertigbringt, meinem Bruder in einem Saal voller Menschen Paroli zu bieten und ihm sein Geschenk praktisch ins Gesicht zu werfen«, sagte Iris, »ist ihm alles zuzutrauen. Wenn er Rache will, reicht ihm vielleicht die Genugtuung noch nicht, dass er Ivor die Perlen zurückgegeben hat. Und was ist heutzutage schon ein Minister der Krone? Wir leben nicht im 18. Jahrhundert.«
Kurz – alle rätselten wir, wer ihn entlarven würde: Philomena Lynch oder Gerry Furnals Frau, ein Zeuge der Perlenszene, Jane Athertons Mutter – all diese Möglichkeiten hielten wir für denkbar. Auf den Weg, der einen cleveren Enthüllungsjournalisten zu Ivor führte, wären wir nie gekommen. Wir kannten nicht alle Beteiligten, kannten nicht die zahlreichen Nebendarsteller. Auch Ivor hätte sich so etwas nie träumen lassen, als er in dieser langen Nacht schlaflos neben Juliet lag.
28
Ein paar Tage sah es tatsächlich so aus, als habe sich alles beruhigt. Der erste Artikel über Dermot war am Donnerstagvormittag erschienen, als Ivor nach Culdrose geflogen war. Am Freitagabend hatten wir abends zusammen gegessen. In den Samstagsausgaben fehlte jeder Hinweis auf den Mord an Jane Atherton und auf Sean Lynch, ebenso in den Sonntagszeitungen, den Brutstätten aller Skandale. Ivor dürfte sich in dieser Zeit zwischen Hoffen und Bangen gefühlt haben wie in den Tagen nach dem Unfall, als er sich wünschte, Dermot möge nie wieder zu sich kommen – nein, schlimmer. Schließlich war seither so einiges geschehen. Er war die Karriereleiter hochgestiegen, hatte geerbt, ein prächtiges Haus gekauft, sich eine schöne Verlobte zugelegt, viele erfolgreiche Reden gehalten, war sogar dem nahegekommen, was meine Frau nach Shakespeare als »des Pompes Flut, die anschlägt an den hohen Strand der Welt« zitiert hatte. Ja, jetzt würde es ihn sehr viel schlimmer treffen. Aber zunächst tat sich nichts. Noch nicht.
Der Journalist, der schließlich alles ans Licht brachte, war ein gewisser David Menhellion – laut Iris ein Name aus Cornwall. In seinem ersten Artikel stellte er die Tatsache heraus, dass Juliet Case, die Verlobte von Ivor Tesham, dem Abgeordneten für Morningford und Staatsminister im Verteidigungsministerium, früher die Lebensgefährtin des Schauspielers Lloyd Freeman gewesen sei, ebenjenes Lloyd Freeman, der bei einem Unfall mit einem Fahrzeug ums Leben gekommen sei, in dem er angeblich versucht habe, Kelly Mason zu entführen, um von ihrem Ehemann, dem Multimillionär Damian Mason, ein Lösegeld zu erpressen. Da die Verleumdung von Toten nicht strafbar ist, hatte Menhellion zunächst nichts zu befürchten. Dermot wurde nur als der Fahrer des Entführungsautos erwähnt. Doch das alles war bereits bekannt. Juliet hatte kurz nach ihrer Verlobung selbst in einem Interview erklärt, sie sei mit Aaron Hunter verheiratet gewesen und habe später eine Beziehung mit Lloyd Freeman gehabt. Sie und Ivor hätten sich durch eine gemeinsame Bekannte, die Schauspielerin Nicola Ross, kennengelernt. Dieser Mitteilung hatte man bisher kaum Beachtung geschenkt, Menhellion aber schlachtete sie weidlich aus. Hatte Tesham womöglich Lloyd Freeman persönlich gekannt? Und musste er sich in diesem Fall nicht gewisse Fragen gefallen lassen? Es wäre für ein Mitglied der Regierung gelinde gesagt ungewöhnlich, ja eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, mit einem Kidnapper befreundet zu sein, der überdies vermutlich unter Drohungen versucht
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