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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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zwischen West Hendon und Edgware. Das Büro der Herz-und-Lungen-Stiftung ist in Kennington, das bedeutete, dass er zur Arbeit täglich die schlimmste aller Londoner U-Bahn-Linien, die Northern Line, nehmen und vorher mit dem Bus bis Edgware Station fahren oder zu Fuß bis Hendon gehen musste, und obwohl er um fünf Feierabend hatte, kam er selten vor halb sieben nach Hause. Weil ich Hebe noch sprechen wollte, ehe er kam, fuhr ich am siebzehnten um Viertel vor sechs mit meinem Auto zur Irving Road, gratulierte ihr zum Geburtstag und fragte, ob für den Freitag alles beim Alten bleibe. Justin saß in seinem Hochstuhl und aß Banane und Joghurt, schleuderte aber das meiste in der Gegend herum.
    Ich putzte es weg und fütterte ihn mit dem Rest, was er offenbar ganz gern hatte, jedenfalls protestierte er nicht, sondern schluckte gehorsam Löffel für Löffel. Inzwischen hatte Hebe sich umgezogen und sah, als sie herunterkam, in einem kurzen, engen Kleid und den Perlen wie immer umwerfend aus. Sie gab Justin einen Kuss auf den Hinterkopf, wo sie sicher vor Banane und Joghurt war.
    »Ich bin völlig erledigt«, sagte sie. »Justin war den ganzen Tag ein Biest. Am liebsten würde ich zu Hause bleiben, aber das geht nicht, und natürlich werden wir uns entsetzlich anöden. Das Dumme an der Ehe ist, dass man sich nach einer Weile nichts mehr zu sagen hat.«
    Kurz darauf kam Gerry, sah die Perlen und fragte Hebe, wo die herkämen.
    »British Home Stores.«
    »Phantastisch sehen sie aus. Ich wünschte, ich könnte es mir leisten, dir echte zu kaufen.«
    Das war mir wahnsinnig peinlich, und ich bin bestimmt rot geworden, aber die beiden haben es offenbar nicht gemerkt. Gerry ging nach oben, um sich frisch zu machen, einen Schlips umzubinden und ein besseres Sakko anzuziehen, und Hebe stellte sich vor den Spiegel im Wohnzimmer, zupfte an ihrer Frisur herum und trug noch mehr Lippenstift auf. Eins muss man ihr lassen – sie hat sich zum Ausgehen mit ihrem Mann ebenso sorgfältig zurechtgemacht wie für ihre Treffen mit Ivor Tesham. Eine wie sie würde sich noch zur eigenen Hinrichtung neu schminken.
    Ich machte Justin ein bisschen sauber, nahm ihn auf den Schoß und las ihm aus Flecki vor, seinem derzeitigen Lieblingsbilderbuch. Hebe und Gerry versuchten, sich unbemerkt zu verdrücken, aber natürlich kriegte er es mit und jammerte »Justin will Mummy«, ein Satz, den ich noch sehr oft hören sollte. Ich lenkte ihn mit dem Hund-und-Katze-Spiel ab, was mir schon ein paarmal gelungen war – er war der Hund und ich die fauchende, miauende, buckelnde Katze. Das Baden ging friedlich über die Bühne, dann gab es eine Fortsetzung von Flecki, ich brachte Justin ins Bett, und fünf Minuten später war er eingeschlafen.
    Um zehn kamen sie zurück. Ich hielt mich nicht mehr lange auf, denn am nächsten Morgen musste ich wieder arbeiten. Hebe sagte sehr betont in Gerrys Hörweite, dass wir uns ja am nächsten Tag sehen würden, und ich hätte beinah gefragt, was sie meinte, schaltete aber zum Glück gerade noch rechtzeitig. Sie kamen beide mit mir zur Tür und winkten, als ich ins Auto stieg.
    Auf der Heimfahrt spürte ich die Vorahnung sehr stark, aber wenn ich ehrlich bin – und wozu schreibt man Tagebuch, wenn man darin nicht ehrlich ist –, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich sie an diesem Abend zum letzten Mal gesehen hatte.

5
    Der Artikel in der Beilage einer Sonntagszeitung erschien vor einem Jahr, und der Autor behauptete, es sei der letzte Schrei unter jenen Zeitgenossen, die auf der neuesten Modewelle schwimmen. Agenturen, die so etwas für trendbewusste junge Leute organisierten, besonders für Leute, deren »Beziehung Ermüdungserscheinungen zeigt«, schossen wie Pilze aus dem Boden. Ich hatte erst einen halben Absatz gelesen, als mir klar wurde, dass dieses Happening, Spaß-Event, Abenteuer – wie immer man es nennen will – genau das war, was sich Ivor vor so vielen Jahren als Hebes Geburtstagsgeschenk hatte einfallen lassen. Er hatte es auch genau so genannt: Abenteuersex. Eine Agentur könne, hieß es in dem Artikel, je nach Zubehör, Mitwirkenden, Szenario, Ausgestaltung und so weiter, bis zu dreißigtausend Pfund für die inszenierte Entführung einer Freundin verlangen. Die vorgeblichen Kidnapper schnappten sie auf der Straße – man hatte sie entsprechend vorbereitet –, verbrachten sie in einen Wagen mit geschwärzten Scheiben, legten ihr Handschellen und/oder einen Knebel an und fuhren sie zum verabredeten

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