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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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Kein Callum, den es ja sowieso nie gegeben hat. Als einzige Freundin meine Mutter. Natürlich lasse ich sie die Reparatur und den Leihwagen zahlen, was bleibt mir übrig?
    »Tut mir leid, Mummy«, sage ich zähneknirschend, und dann erzähle ich ihr eine lange Geschichte von meinem letzten Zusammensein mit Callum, wie schrecklich es war, als die Todesnachricht kam, und dass ich das nie verwinden werde. Das war ganz unterhaltsam, und ich nehme mir vor, so was öfter zu machen. Ich könnte mich in dieser Phantasiewelt einrichten, eine neue Persönlichkeit, einen neuen Lebensstil und neue Erfahrungen erfinden, meinem trostlosen wahren Ich entkommen, könnte ein anderer Mensch werden. Ich verspreche, sie am Wochenende – nicht, dass Wochenenden noch was Besonderes für mich wären – zu besuchen und ein paar Tage zu bleiben. Ihre Stimme klingt weinerlich. Pech für sie …
     
    Ich blieb länger in Ongar, als ich eigentlich gewollt hatte, aber zur Abwechslung mal jemanden zu haben, der sich um mich kümmerte, war angenehm, und solange ich da war, bemühte ich mich nach Kräften, meine Sorgen zu verdrängen. Mummy sagte, sie werde meine Hypothekenraten zahlen, bis ich eine neue Stellung gefunden hätte, das heißt ein halbes Jahr, bis dahin werde sich doch bestimmt was ergeben. Daran sieht man doch, dass sie viel reicher ist, als sie immer tut.
    Sie kam immer wieder auf Callum zurück, ich müsste doch sehr um ihn trauern. Wir seien so lange zusammen gewesen, praktisch wie in einer Ehe. Sie sagt gern solche Sachen und erzählt bestimmt ihren Freundinnen davon, die meisten sind Witwen, und jetzt gehöre ich als eine Art Ehrenwitwe dazu. Wenn ich anfange, daran zu glauben, Callum hätte es wirklich gegeben, weiß ich, dass ich am Durchdrehen bin. Mummy hat immer gesagt – und sagt es wahrscheinlich nach wie vor –, dass sich Verrückte von normalen Menschen unter anderem dadurch unterscheiden, dass sie nicht wissen, dass sie verrückt sind. Andererseits habe ich neulich gelesen, dass Schizophrene im Anfangsstadium lichte Momente haben, in denen sie ihren Zustand erkennen. Könnte das bei mir der Fall sein? Warum habe ich, als mir klar wurde, wie verrückt es war, Callum zu erfinden und dann zu killen, nicht reinen Tisch gemacht und Mummy gesagt, das sei alles Unsinn? Vielleicht, weil ich wirklich nicht mehr ganz normal bin. Und wenn es weiter so schlecht für mich läuft, habe ich Angst, dass ich immer mehr diesem Wahn verfallen könnte.
     
    Das waren selbst für meine Verhältnisse reichlich düstere Überlegungen. Bei meiner Rückkehr fand ich drei Briefe vor, zwei Absagen – die Stellenangebote für Personalkoordinator und Teamleiter, was keine Überraschung war – und einen – man höre und staune! – von Pandora Furnal, wie ich sie jetzt wohl nennen muss. Wie sie sich selbst nennt. Er war erst zwei Tage alt.
    Ich hatte mit weiteren Beleidigungen gerechnet, aber da hatte ich mich geirrt, und sie verlangte auch ihre Kaution nicht zurück (vielleicht wartet sie nur auf eine passende Gelegenheit). Sie wollte etwas von mir, aber sie brauchte die ganze Seite und noch die halbe Rückseite, um zur Sache zu kommen.
    Liebe Jane,
    wir haben lange nichts mehr voneinander gehört. Wie Du am Absender siehst, sind wir umgezogen. Wir wohnen jetzt in Golders Green, einer Gegend, die mir sehr zusagt, weil es von hier ganz nah nach Hampstead Heath ist. Justins Schule ist mir auch lieber als die in Hendon. Unser Haus hat vier Schlafzimmer, was wichtig ist, denn stell Dir vor – ich erwarte ein Kind. Es soll im August kommen, und das ist, wie Du Dir denken kannst, sehr aufregend für uns. Gerry ist hin und weg. Er ist ein so wunderbarer Vater.
    Ich lege einen Zeitungsausschnitt bei, den ich beim Umzug in Deinem Zimmer fand. Ich weiß, dass es Deiner sein muss, weil auf der Rückseite Deine Schrift ist. Er war hinters Bett gefallen. Ich weiß nicht, ob er wichtig ist, aber ich schicke ihn Dir auf alle Fälle mal mit. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber der Umzug hat uns mächtig in Atem gehalten.
    Da ist noch eine Sache, die ich gern mal mit Dir checken würde. Nichts Persönliches oder etwas im Zusammenhang mit dem, was vor Deinem Weggang passiert ist, es betrifft nur Gerry und mich. Wie wär’s irgendwann mit einem kurzen Get-together – bei Dir oder an einem dritten Ort? Ich wäre Dir wirklich sehr verbunden.
    Mit den besten Wünschen
    Pandora (Furnal)
     
    Als ob ich ein Dutzend Pandoras in meinem

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