Das Geburtstagsgeschenk
meisten Leute wissen nicht, dass große Perlen wertvoller sind als kleine. Die Kette könnte sechs- oder siebentausend Pfund wert sein. Findest du das nicht auch eigenartig?«
Ich antwortete genüsslich mit dem Klischee aus hundert schlechten Romanen und Theaterstücken: »Wahrscheinlich gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung.«
»Ausgeschlossen. Hebe kann sie sich nicht gekauft haben, sie hatte kein eigenes Geld, hat nie gearbeitet. Jemand muss sie ihr geschenkt haben.«
»Was sagt denn Gerry dazu?«
»Er weiß es nicht, ich habe es ihm nicht erzählt.«
»Und warum nicht?«
»Liegt das nicht auf der Hand? Er – also er hält so große Stücke auf sie, er hat sie vergöttert, das ist mir klar, und es stört mich auch nicht. Daran sieht man eben, dass er ein guter Ehemann ist, nicht? Jemand hat ihr die Perlen geschenkt, und zwar – wollen wir doch ehrlich sein – nicht deshalb, weil er sie aus der Ferne bewundert hat.«
»Tja, ich weiß nicht«, sagte ich. »Was wirst du jetzt machen?«
»Vielleicht gar nichts. Kann ich es ihm sagen und seine Illusionen zerstören? Andererseits könnten wir das Geld gut gebrauchen, Jane. Der Umzug war sehr teuer, und wenn jetzt das Kind kommt … Wir könnten für die Perlen sechstausend Pfund oder mehr kriegen. Manchmal macht es mir geradezu Angst, dass wir sie im Haus haben.«
So ging das noch eine ganze Weile, sie war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihren wundervollen Gerry in seiner Ahnungslosigkeit zu belassen, seine große Liebe nicht zu besudeln, und der Gier nach dem Geld. Ob ich Bescheid gewusst hätte, fragte sie.
»Du warst eng mit Hebe befreundet. Hat sie dir nicht erzählt, dass sie einen Liebhaber hatte? Hat sie nie was über die Perlen gesagt?«
Was Hebe mir anvertraut habe, sei mir heilig, sagte ich, und das schien Pandora zu gefallen, denn solche hochgestochenen Sprüche gibt sie selber gern von sich. Aber dadurch wuchs ihr Argwohn, und darauf hatte ich es angelegt. Als sie schon im Gehen war, sagte ich: »Übrigens – dieser Zeitungsausschnitt, den du mir geschickt hast, gehört nicht mir, das auf der Rückseite hat Hebe geschrieben.«
»Bist du sicher?«
Ich sah bekümmert drein. »Sie war meine beste Freundin, Pandora.«
»Ich frage das nicht gern – aber weißt du, wer der Mann ist?«
Ich schüttelte den Kopf. »Aber das lässt sich leicht feststellen. Der Ausschnitt scheint aus der Times zu sein.«
Dann ging sie und wusste offenbar immer noch nicht, wie sie sich verhalten sollte. Ich denke mir, dass ihre Liebe zum Geld früher oder später über ihre Bedenken siegen wird. Und nicht nur das. Sie mag sagen, was sie will – aber es wäre ihr bestimmt ganz recht, wenn Gerry seine Illusionen über Hebe verlieren würde, denn dann würde er sie, Pandora, noch mehr lieben.
Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr auf einen Job hoffen kann. Schön, ich könnte putzen gehen oder gärtnern, aber damit würde ich nicht genug verdienen, um die Hypothek abzuzahlen. Zurzeit kommt dafür noch Mummy auf, ebenso wie für die Autoreparatur und im Grunde ja auch für mich. Mein Bankkonto ist leer, ich könnte Arbeitslosengeld beantragen, dann würde das Sozialamt die Zinsen für meine Hypothek zahlen. Bedeutet das, dass ich mein Leben lang von Unterstützung leben würde? Zumindest bis ich sechzig bin? Dreißig Jahre stempeln gehen?
So weit hat Gerry Furnal mich gebracht. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich muss weiter zurückgehen. Ivor Tesham hat mich so weit gebracht. Er hat die Entführung inszeniert, die Hebe das Leben gekostet hat. Und weil Hebe gestorben ist, bin ich als Justins Kindermädchen zu Gerry Furnal gekommen. Wäre sie am Leben geblieben, hätte ich trotzdem meine Stelle in der Bibliothek verloren, aber ich hätte eine andere gefunden. Es liegt an diesen Jahren, in denen ich »für den Arbeitsmarkt nicht verfügbar« war, den Jahren, in denen ich aus lauter Herzensgüte niedrige Arbeiten verrichtet habe, die mich um sämtliche Chancen gebracht haben. Und irgendjemand hat das zu verantworten, aber war es Ivor Tesham, oder waren es die beiden Typen in dem Wagen? Jemand hat die Kettenreaktion in Gang gesetzt, hat den Schneeball ins Rollen gebracht, der auf seinem Weg den Berg hinunter zur Lawine geworden ist. Und jetzt ist Ivor Tesham erfolgreich, glücklich und wohlhabend, er wohnt mit seiner Geliebten in einem schönen Haus, die Presse handelt ihn als heißen Tipp für ein hohes Regierungsamt
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