Das Geburtstagsgeschenk
Kurbelwelle, neuer Ventilator, vier neue Reifen, jede Menge Ersatzteile für den Motor und natürlich eine neue Batterie. Und auch dann, meinte der Mann von der Werkstatt, sei die Kiste nicht so gut wie neu, sondern eigentlich schrottreif. Ich überlege inzwischen, ob ich überhaupt einen Wagen brauche oder ob ich ihn nicht gleich in der Werkstatt lassen und diesen Klugscheißer bitten soll, ihn zu entsorgen.
Inzwischen war ich mit dem Bus und zu Fuß bei sechs privaten Arbeitsvermittlungen gewesen, und während ich darauf warte, dass sie sich melden – oder wenigstens eine mir was anbietet! –, gehe ich die Stellenangebote in den Zeitungen durch. Die meisten sagen mir überhaupt nichts. Was ist ein Personalkoordinator? Ein Sachbearbeiter für Sanierungsprojekte? Ein Manager für wirtschaftspolitische Aufgaben? Ein Teamleiter für demokratische Dienstleistungen? Wie kann ich mich bewerben, wenn ich nicht mal weiß, was die Stellenbeschreibung bedeutet?
Ich muss positiver denken. Schließlich habe ich auch einiges aufzuweisen: einen guten Hochschulabschluss in Englisch, meine Erfahrungen in der Bibliothek, meine zweieinhalb Nanny-Jahre. Damit müsste sich doch was im Gesundheitssektor finden lassen oder besser noch etwas mit Büchern im Gesundheitssektor, wenn es so was gibt. Ich bin dabei, eine Bewerbung für eine Londoner Behörde als Familienberaterin zu schreiben, als sich das Farbband meiner Schreibmaschine verheddert, total abgenutzt ist es sowieso. Hebe hat immer gesagt, ich sei bestimmt der einzige Mensch in ganz London, der noch eine Schreibmaschine benützt, und wollte gar nicht glauben, dass ich mir keinen Computer leisten kann. Morgen muss ich mir ein neues Farbband holen, falls es die überhaupt noch zu kaufen gibt.
Den Job hätte ich sowieso nicht gekriegt, sie suchen wohl so was wie eine Sozialarbeiterin. Die anderen Bewerbungen schreibe ich mit der Hand, eine als Referentin für eine Organisation, die sich ›Nothilfe Kind‹ nennt, und eine zweite für eine Nachwuchskraft im betriebswirtschaftlichen Bereich des Gesundheitswesens »mit der Aussicht, später eine Stelle als Betriebswirt zu bekleiden«. Die kriege ich auch nicht, ganz klar. Ich bin kein Nachwuchs mehr.
Mummy ruft an, sie habe seit zwei Wochen nichts mehr von mir gehört, ob alles in Ordnung sei.
»Ich weiß nicht, wie ich darauf komme, Jane, aber ich habe so eine Ahnung, als hättet ihr euch getrennt, Callum und du. Er hat dich doch nicht verlassen?«
Nicht: ›Du hast ihn doch nicht verlassen?‹ Ich sage ihr, dass Callum tot ist. Sein Wagen ist mit einem Vierzigtonner auf der Mi kollidiert. Wie ich darauf komme, weiß ich nicht – vielleicht habe ich an den Unfall gedacht, bei dem Hebe ums Leben gekommen ist. Ich hatte plötzlich Lust, Schluss mit ihm zu machen, ihn zu töten, wie Schriftsteller es mit ihren erfundenen Figuren machen.
Sie schnappt nach Luft und stößt einen leisen Schrei aus. Kein Zweifel, sie hat es geschluckt. »Du armer Liebling. Es tut mir wahnsinnig leid. Erzähl doch mal!«
Es falle mir zu schwer, darüber zu sprechen, sage ich. Ich erzähle ihr stattdessen von meinem Wagen und der Schreibmaschine. »Du brauchst ein Auto«, sagt sie. »Wie willst du denn ohne Wagen zu mir kommen?« Über so viel Egoismus muss ich fast grinsen. Meine Nöte, meine Gefühle sind egal, wichtig ist nur, dass ich sie besuchen kann. Manchmal erinnert sie mich in ihrem Egoismus an Hebe und Justin, so wie die beiden mich an sie erinnert haben.
»Kein Problem«, sage ich. »Sechshundert Meter zum Bahnhof Kilburn Park, Bakerloo Line bis Oxford Circus, mindestens eine halbe Stunde mit der Central Line bis Epping und dann ein Taxi nach Ongar, das ein Vermögen kostet. Ein Kinderspiel.«
»Du brauchst nicht sarkastisch zu werden«, sagt sie.
»Doch«, sage ich, »Sarkasmus ist das Einzige, was mir noch bleibt« – und sie verspricht, dass sie die Autoreparatur zahlen wird und einen Leihwagen, bis ich meinen eigenen zurückbekomme. Warum sie das alles macht, frage ich, woher auf einmal all die guten Vorsätze kommen? Da heult sie plötzlich los. Sie habe immer nur das Beste für mich gewollt, schluchzt sie, sei es denn zu viel verlangt, dass ich sie für einen Leihwagen zahlen lasse, damit ich zu ihr kommen kann? Ich würde am liebsten auflegen, lasse es dann aber sein, denn mir ist klar geworden, dass sie alles ist, was ich habe. Meine einzige Freundin. Kein Job, kein Geld, keine Perspektive, bald kein Dach mehr über dem Kopf.
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