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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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Stellung selbst aufgegeben hatte, schien sie nicht weiter zu interessieren, sie setzten mich auf ihre Liste und wiesen mich gleichzeitig darauf hin, dass ich für die meisten Jobs überqualifiziert sei. Ich ging nach Hause und schrieb auf Anzeigen, in denen eine Assistentin oder Sekretärin gesucht wurde – zwanzig Bewerbungen in der ersten, dreißig in der zweiten Woche. Ein einziges Mal wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Anwaltskanzlei suchte eine Empfangsdame/Sekretärin. Das Büro, ein umgebauter Laden neben einem Altkleidergeschäft, war mir gleich unsympathisch. Sie hatten mich für zwölf bestellt und ließen mich zehn Minuten warten, und als ich sagte, ich hätte keine Computerkenntnisse, rümpfte die Frau, die das Vorstellungsgespräch führte, die Nase. In der Anzeige habe nichts von Computerkenntnissen gestanden, sagte ich, und sie gab zurück, die seien heutzutage selbstverständlich.
    Ich war seit sechs Wochen wieder in meiner Wohnung und hatte an die hundert Bewerbungen geschrieben, als ich im Standard, in dem ich die Kleinanzeigen nach passenden Angeboten durchforsten wollte, unter Hochzeiten die Eheschließung von Gerry Furnal und Pandora Anne Flint entdeckte. »Alte Wunden wieder aufreißen« – das kannte ich nur als Redensart. Jetzt aber spürte ich förmlich, wie die Wunden an meinen Armen und Beinen aufgingen und Gerry Furnal Salz hinein rieb. Hatte er sich jemals überlegt, was er mir antat, als er mich dazu trieb, meinen Job aufzugeben? Ich hatte eine anspruchsvolle Stellung in einer angesehenen Bibliothek geopfert, um sein Kind zu betreuen, hatte ihm Essen gekocht und ihm die Drecksarbeit gemacht. Ganz zu schweigen von den perversen Klamotten, die seine wundervolle Frau getragen hatte, um ihren Liebhaber aufzugeilen, und die ich entsorgt hatte. Hatte ich auch nur ein Wort über dieses Zeug verloren? Hatte ich ihm die Augen über die wahre Hebe geöffnet? Nein und nochmals nein. Hatte ich ihren Liebhaber erwähnt oder auch nur angedeutet, dass sie einen gehabt hatte? Wiederum nein. Vielmehr hatte ich mir immer wieder die alte Leier angehört, wie großartig sie gewesen sei, was für ein guter Mensch, was für eine phantastische Mutter, dass mir jetzt noch ganz schlecht wurde, wenn ich daran dachte.
    Was war dieser Gerry doch scheinheilig! Über Monate musste ich mir Abend für Abend sein Gejammer anhören und dass er nie an eine andere Frau auch nur denken würde, und drei Jahre später – nur drei Jahre später! – schnappt er sich meine Mieterin. Was muss das für ein seichter Charakter sein, der auf eine Frau reinfällt, die eine oberflächliche Ähnlichkeit – denn mehr ist es nicht – mit seiner toten Frau hat? Was würde Hebe wohl davon halten, wenn sie es wüsste? Vielleicht weiß sie es ja, vielleicht gibt es ja wirklich ein Leben nach dem Tod. Gerry hat Justin erzählt, dass sie im Himmel ist und von da über ihn wacht. Vielleicht wacht sie über uns alle – Gerry Furnal, den armen kleinen Justin, mich, ja sogar ihren Liebhaber Ivor Tesham – und denkt sich ihr Teil.
    Das Leben ist ungerecht. Das ist der erste Satz von Mummy, der mir in Erinnerung geblieben ist, da muss ich vier gewesen sein. »Das Leben ist ungerecht, Jane«, sagte sie, »daran musst du dich gewöhnen.« Das fällt mir jetzt wieder ein, wenn ich das Leben von Ivor Tesham mit meinem vergleiche. Wetten, dass er nicht weiß, wie es ist, sich um einen Job nach dem anderen zu bemühen und entweder gar keine Antwort zu bekommen oder eine, in der steht, dass die Stelle schon vergeben ist? Keine Ahnung hat er davon, ganz klar. Reiche, mächtige Verwandte haben ihm zu Jobs verholfen. Einflussreiche Bekannte waren ihm behilflich, als er ins Parlament wollte. Dazu kam sein privates Vermögen, Geld genug zum Schmieren. Die Geburten, Heiraten und Todesfälle in der Zeitung lese ich regelmäßig, dadurch habe ich ja auch erfahren, dass Gerry Furnal geheiratet hat, und deshalb wusste ich, dass Ivor Teshams Vater tot war: John Hamilton Tesham, plötzlich und unerwartet von uns gegangen, innig geliebter Gatte von Louisa und Vater von Ivor und Iris. Bestimmt hat er seinem Sohn viel Geld vermacht. Mir wirft keiner Geld hinterher. Das Haus meiner Mutter in Ongar muss eine halbe Million wert sein. Jede Wette, dass nach ihrem Tod jemand die Genehmigung kriegt, vor ihrer Haustür eine Sozialsiedlung zu bauen, so dass die Immobilie an Wert verliert?
    Ich sitze in meinem kleinen Loch – Stu hatte schon recht,

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