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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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und einen Sitz im Kabinett, während ich arm und arbeitslos und vergessen bin. Und ohne Freunde, ganz von meiner Mutter abhängig.
    Ich sitze abends allein da und lasse mir das alles durch den Kopf gehen und wünschte, ich wüsste ein wenig mehr. Ich weiß nicht genug über diese Dinge. Ich weiß nicht, ob die Polizei die Presse über so was informiert. Wenn ja, dann hat er vielleicht Angst gehabt, dass die Sache in die Zeitung kommt. Hat er das gemeint, als er gefragt hat, was ich zu unternehmen gedenke? Ja, so muss es gewesen sein. Die Polizei hat dann sehr schnell gedacht, die beiden Typen hätten Kelly Mason entführen wollen, und da war es vielleicht schon zu spät, da konnte er die Sache nicht mehr klarstellen.
    Irgendwo spielt auch die Pistole mit hinein, aber ich weiß nicht, wem sie gehörte oder woher sie kam. Er hat doch sicher niemanden erschießen wollen? Vielleicht wollte er Hebe Angst einjagen. Aber wozu? Abgesehen von Ivor Tesham gibt es nur einen, der weiß, was es mit der Pistole auf sich hatte. Und der könnte es mir sagen, wenn er noch lebt. Wenn er überhaupt noch was sagen kann.
     
    Warum ich das wissen will? Ich brauche Geld. Es gibt andere Möglichkeiten, zu Geld zu kommen, als Arbeit oder Sozialfürsorge oder sich von Angehörigen unterstützen zu lassen. Früher wäre die Vorstellung, Geld zu verlangen, um ein Geheimnis zu bewahren, für mich etwas gewesen, was man in Büchern liest oder im Fernsehen sieht, ich hätte es nie und nimmer auf mich bezogen.
    Aber ich habe versucht, Arbeit zu finden, und mir ist elend, wenn ich Mummy um Geld bitten muss oder es mir nehme, ohne zu fragen. Noch bin ich nicht so weit, Stütze zu beantragen, aber wenn ich die Wahl zwischen Stütze und Verhungern habe, mache ich es. Die einzige Möglichkeit, die mir noch bleibt, kommt mir nicht mehr unwirklich vor, sondern als eine bedenkenswerte Option. Er hat ein Geheimnis – und wahrscheinlich inzwischen nicht nur das eine –, das er geheim halten will, und er hat einen Haufen Geld. Ich kenne das Geheimnis und werde es nicht an die Presse geben, wenn er mir Geld gibt. Es ist ein ganz normaler Tausch, ein Geschäft.
    Ich schlafe schlecht, seit ich geträumt habe, dass Callum hereinkommt, es ist Nacht, es ist dunkel, er hat einen großen Hund an der Leine. Ich weiß, dass es Callum ist, obwohl ich ihn mir nie als Person vorgestellt habe, nicht mal ganz am Anfang, als ich ihn für Mummy erfunden hatte. Er sieht ein bisschen aus wie Ivor Tesham und ein bisschen wie Gerry Furnal. Er lässt den Hund frei, der springt leise knurrend auf mein Bett. Schreiend wache ich auf.

21
    Die Bosnienkrise und eine sehr AKTIVE IRA hatten Ivor 1993 in Atem gehalten. Im Unterhaus meldete er sich ständig zu Wort, wurde immer öfter zum Gegenstand politischer Kommentare in den Medien, und im März hatte ein Boulevardblatt ein ganzseitiges Porträt von ihm gebracht, in dem auch viel von Persönlichem, von seinem »schönen Heim« und seiner »attraktiven Partnerin Juliet Case« die Rede war. Er lieferte sich in der Sendung Today ein Rededuell mit John Humphrys von DER BBC, bei dem er zwar nicht siegte, aber auch nicht schmachvoll unterging. Im April machte er sich in der Spätsendung The Question of the Hour für John Majors Behauptung stark (obwohl das nicht in seine Zuständigkeit fiel), im Land mache sich allmählich eine wirtschaftliche Erholung bemerkbar, und betonte, die Besserung »sei ganz unverkennbar«. Als Beweis führte er die sinkenden Arbeitslosenzahlen an.
    Am Tag darauf stieg er in der City gerade aus seinem Dienstwagen, als fünfzig Meter weiter EINE IRA -Bombe explodierte. Es war halb elf, er war auf dem Weg zu einer Sitzung gewesen. Die Bombe warf ihn zu Boden, doch er war unversehrt. Andere traf es schlimmer. Man zählte einen Toten und vierzig Verletzte, der Schaden wurde auf tausend Millionen Pfund geschätzt. Diesmal brachten alle Blätter Ivors Bild und zitierten Äußerungen von ihm über die glückliche Fügung, die ihn gerettet habe, und seine Bestürzung über die Todesopfer. Er wurde allmählich richtig berühmt.
    Sein Foto erschien erneut in den Zeitungen, als er an einer Konferenz DER NATO -Verteidigungsminister in Brüssel teilnahm, bei der über den Vance-Owen-Plan beraten wurde, der eine dauerhafte Lösung der Probleme auf dem Balkan zum Ziel hatte. Es zeigte ihn elegant gekleidet, wie er in Heathrow die Treppe zum Flugzeug hochstieg. Den Außenminister hatten die Fotografen nicht mit abgelichtet, aber

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