Das Geburtstagsgeschenk
Ivor sah auch entschieden besser aus. Drei Tage zuvor hatte John Major eine größere Kabinettsumbildung bekannt gegeben, bei der er Norman Lamont als Schatzkanzler durch Kenneth Clarke ersetzte, der Innenminister gewesen war. Michael Howard wurde Innenminister, John Gummer übernahm dessen Posten im Umweltministerium. Es gab noch mehr Beförderungen, aber Ivor ging leer aus. Optimistisch wie er war, ließ er sich dadurch die Laune nicht verderben. Er war noch jung, die Regierung, fand er, war beliebter als seit langem, ihre Wiederwahl sicher. Und so vergingen die Monate ohne Aufstieg, ohne Veränderungen.
Wahrscheinlich waren es die vielen Fotos von ihm in der Presse, die Beryl Palmer auf den Gedanken brachten, bei ihm zu klingeln und ihn um ein Autogramm zu bitten.
»Ist doch eigentlich ganz nett, nicht?«, meinte Iris, als er es uns erzählte.
»Ja und nein. Ich bin schließlich kein Star, für mich war es das erste Mal. Soweit ich mich erinnere, hat mich noch nie jemand um ein Autogramm gebeten. Sie wollte es für ihre Enkelin, das Album der Kleinen hatte sie mitgebracht.«
Wer die Frau sei, wollte ich wissen.
Er sagte es uns nicht gern, aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. Ich wusste, was es bedeutete, wenn er so ein Gesicht aufsetzte, und Iris wusste es auch: Dass er jetzt gleich mit etwas herausrücken würde, worauf er nicht stolz war, ja was er als beschämend empfand.
»Die Sache ist mir nachgegangen. Schön, in gewisser Weise war es schmeichelhaft, und wenn es nicht gerade sie gewesen wäre …“
»Wer ist sie denn?«
»Sie hat in der Old Pye Street geputzt, bei mehreren meiner Nachbarn. Und dann ist sie eines Tages hier in der Glanvill Street vorbeigekommen, hat mich aus dem Haus treten sehen und erkannt.«
»Komm, Ivor, sag schon: Wer ist die Frau?«
»Hebes Tante.«
Iris schüttelte verständnislos den Kopf. Woher er wisse, dass die Frau Hebes Tante sei, fragte sie. Ob sie es ihm gesagt habe? Und bedeutete das …
»Ganz genau. Du bist heute erstaunlich schwer von Begriff. Hebes Mutter ist Beryls Schwester, sie hat wenig Kontakt zur Familie, allerdings …“ Er zögerte. »Allerdings war sie auf Hebes Beerdigung. Und vor vier Jahren, hat sie erzählt, kam sie gerade aus der Wohnung meines Nachbarn, als sie sah, wie Hebe aus dem Aufzug stieg.«
»Aber Hebe hat ihr doch wohl nicht gesagt, wohin sie wollte?«
»Was hätte sie ihr sonst sagen sollen?«
»Ist das schlimm, Ivor?«
»Keine Ahnung. Natürlich wäre es mir lieber, wenn so eine Frau … ach was, Schwamm drüber. Wahrscheinlich ist es überhaupt nicht schlimm.«
Sein angeekelter Gesichtsausdruck galt wohl hauptsächlich der Tatsache, dass die Tante seiner früheren Freundin Putzfrau war. Aber so wenig Kontakt Beryl Palmer mit ihrer Familie haben mochte – wie Hebe ums Leben gekommen war, wusste sie bestimmt. Er habe in ihrem Blick etwas zu erkennen geglaubt, was ihm nicht recht gefallen wollte, als sie ihm von der Begegnung mit Hebe vor seiner Wohnung erzählte, sagte er, etwas Anzügliches, was deutlicher als alle Worte ein Wissen um ein unschickliches Geheimnis verriet.
»Du hast der Enkelin das Autogramm in ihr Album geschrieben?«
»Ja. Und dabei musste ich immer denken, dass die Kleine mit Hebe verwandt ist. Beryl Palmer hat nichts weiter über Hebes Tod gesagt, und seinerzeit habe ich mir kaum Gedanken darüber gemacht, aber hinterher fand ich gerade das seltsam. Sehr seltsam sogar, es hätte so nah gelegen. Allerdings habe ich auch nicht darüber gesprochen. Vielleicht war das ein Fehler.«
»Du hast sie hereingebeten?«, fragte ich.
»Natürlich. Was sollte ich machen? Sie sei ein-, zweimal im Unterhaus gewesen, um mich sprechen zu hören, hat sie gesagt.«
»Ich denke, sie hat dich erst erkannt, als du aus deinem neuen Haus gekommen bist?«
»Ja, eben. Es war alles etwas eigenartig.«
Kandidaten werden häufig schon weit vor einer Parlamentswahl bestimmt. Der letztmögliche Termin für die nächsten allgemeinen Wahlen war Mai 1997, und es war so gut wie sicher, dass die Konservativen wieder Ivor als Abgeordneten für Morningford benennen würden. Von daher war also keine Überraschung zu erwarten, und vielleicht ebenso wenig überraschend war es, dass Aaron Hunter erneut kandidierte, wieder als Parteiloser und daher von vornherein mit einem Verliererticket, nur mit dem Unterschied, dass er sich diesmal für den Wahlkreis Imberwell zur Wahl stellte, eine Industriestadt mit Hafen an der Küste von
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