Das Geburtstagsgeschenk
Lincolnshire. In einem Interview für den Guardian sagte er, sein Großvater stamme aus Imberwell, und sein Vetter sei dort Vorsitzender des Stadtrats. Er habe enge familiäre Bindungen an den Ort.
In dem Interview erklärte er weiter, er setze sich für Aufrichtigkeit und Anstand im öffentlichen Leben ein und kämpfe gegen die Korruption, die in der Regierung in letzter Zeit untragbar geworden sei. Gewisse Teile der Presse sehen derlei Erklärungen immer als Herausforderung, und ein kurioses rechtes Skandalblatt grub nach Anrüchigem in seiner Vergangenheit, allerdings ohne viel Erfolg. Aaron Hunter war ein solider Ehemann und Vater von drei Kindern. Aus der Zeit vor dieser Ehe ließ sich nur berichten, dass er mit Juliet Case verheiratet gewesen war, von der er sich vor acht Jahren hatte scheiden lassen. Juliet Case, fügte das Blatt hinzu, sei jetzt die »Lebenspartnerin« von Ivor Tesham.
Ivor war außer sich, was ich nicht recht nachvollziehen konnte. Schließlich hatte niemand ihn persönlich angegriffen. »Das von Juliet muss Hunter ihnen gesteckt haben«, sagte er. »Woher sollen sie es sonst wissen? Im Übrigen braucht er sich keine Hoffnungen zu machen, dass er reinkommt. Nur weil sein Vetter im Stadtrat ist, wählen die in Imberwell ihn bestimmt nicht. Die Konservativen haben dort noch nie einen Abgeordneten stellen können, obwohl wir einen sehr ordentlichen Kandidaten haben. Der jetzige Labour-Abgeordnete tritt ab, er ist fast siebzig, aber sie haben einen sehr guten neuen Mann, und auch die Liberaldemokraten werden tüchtig kämpfen.«
»Ivor geht es überhaupt nicht um die Kandidaten für Labour und die Liberaldemokraten«, bemerkte Iris, als er gegangen war. »Was ihn umtreibt, ist die Tatsache, dass sie Juliet seine ›Lebenspartnerin‹ nennen. Er weiß, dass geredet wird, weil er unverheiratet mit einer Frau zusammenlebt, und je näher die Wahl rückt, desto schlimmer wird das werden.«
Ivor hatte uns eine Stippvisite abgestattet, um seinen neuen Neffen zu besichtigen – es reichte mittlerweile nur noch für kurze Besuche, so viel war er unterwegs. »Ein strammer kleiner Räuber«, befand er. »Gut für ihn. Wenn einer Joe Delgado heißt, muss er ja Gangster werden.«
Iris fragte, ob er nicht manchmal auch gern ›so einen‹ hätte.
»Frauen denken in diesen Kategorien«, sagte er nur. »Männer nicht.«
»Robin schon.«
»In einem Artikel über Evelyn Waugh habe ich gelesen, dass er von jedem Kind, das er gezeugt hat, nur als dem ›Baby meiner Frau‹ gesprochen hat. So werde ich es vermutlich auch machen.«
»Und wann wird das sein?«
»Ach, so in zwanzig Jahren vielleicht.«
Ich glaube, Ivor hatte, nachdem er angefangen hatte, den Lynchs jährlich zehntausend Pfund zu zahlen, mehr oder weniger die Angst verloren, die Ereignisse vom Mai 1990 könnten jemals ans Licht kommen. Es war kein Schweigegeld – ebenso wenig, wie er sich Juliets Schweigen erkauft hatte, indem er sie bei sich wohnen ließ und vermutlich voll für ihren Unterhalt aufkam. Dass sie ihn liebte, stand außer Frage. Sie zeigte es mit jedem Blick, jedem Wort, jeder Berührung – und sei es nur, dass sie ihm leicht eine Hand auf den Ärmel legte. Das schlagfertig Provokante, das ihn an Frauen wie Hebe Furnal gereizt haben mochte, oder den dramatischen Überschwang einer Nicola Ross konnte ihm Juliet nicht bieten. Sie war sanft und warmherzig, und sie liebte ihn. Es machte ihr Freude, ihn zu umsorgen, Hilfe im Haushalt holte sie sich nur, wenn eine große Gesellschaft anstand. Während er sich wenig um unsere Kinder kümmerte – die Staatsgeschäfte hielten ihn in Atem –, besuchte Juliet sie oft und hatte besonderen Spaß daran, Nadine und Adam zu baden. Und mit Joe auf dem Arm sah sie aus wie die Madonna eines spanischen Malers. Nein, dass sie in Ivors Leben getreten war, hatte nichts mit Erpressung zu tun. Und anscheinend verhielt es sich bei Sean Lynch nicht anders.
Ich musste mir eingestehen – auch wenn ich das nur Iris gegenüber aussprach –, dass ich von falschen Voraussetzungen ausgegangen war, als ich Ivor so nachdrücklich vor den Lynchs gewarnt hatte. Ohne zu dramatisieren, darf man wohl festhalten, dass durch sein Verhalten Dermot Lynchs Leben zerstört worden war. Ohne ihn würde Dermot noch immer glücklich und zufrieden Autos warten, an Motoren herumbasteln, vergnügt gestikulieren und seine drolligen Handbewegungen machen. Es war gut und richtig, dass Ivor ihn und Philomena und Sean dafür
Weitere Kostenlose Bücher