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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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gibt?
    Früher habe ich nie auf Hunde geachtet, aber jetzt sehe ich ständig welche. Callum hatte keinen Hund, als er mit mir zusammen war. Nach unserer Trennung hat er sich einen zugelegt, eine Dogge, glaube ich, sie hat ein schwarzes Lederhalsband mit Stacheln. Jemand anders führt sie jetzt aus, geht mit ihr auf dem Weg zur High Road an meinem Haus vorbei. Denn Callum, nicht wahr, Callum ist ja tot …

23
    Anfang 1994 gab es für Ivor im Verteidigungsministerium wieder viel zu tun. DIE IRA legte weitere Bomben, von denen glücklicherweise keine explodierte. Eine IRA-Mörserbombe traf in Crossmagien einen Hubschrauber der Armee und verletzte einen Beamten der Royal Ulster Constabulary, aber der Pilot konnte mit der Besatzung unversehrt landen.
    Um Ivors Partei stand es schlecht. Bei der Kommunalwahl Anfang Mai sank der Anteil der Konservativen an den umkämpften Sitzen um 429 auf 888, und in achtzehn der dreiunddreißig Stadträte verloren die Tories ihre Mehrheit. Am 12. Mai starb John Smith, der Parteivorsitzende der Labour Party, unvermutet an einem Herzinfarkt. Das war ein schwerer Schlag, aber nachdem die Partei sich wieder gefangen hatte, rückte Tony Blair als Anwärter auf die Parteiführung ins Blickfeld.
    Ob Ivor bemerkt hatte, dass der 18. Mai Hebes vierter Todestag war, weiß ich nicht. Einen oder zwei Tage später waren wir bei ihm und Juliet in der Glanvill Street zum Essen eingeladen, zusammen mit Jack Munro und seiner Frau und Erica Caxton mit ihrem neuen Mann, den sie im Februar geheiratet hatte. Das Gespräch drehte sich vor allem um die bevorstehende Verlobung von Ivor und Juliet.
    Verlobungen sind nicht mehr, wie früher, die unverzichtbare Vorstufe der Ehe, sondern eine eigenständige Institution als eingetragene Lebenspartnerschaft für heterosexuelle Paare. Die Frau trägt einen Ring, der – wenn man davon absieht, dass ihn meist ein Brillant schmückt – ebenso gut ein Trauring sein könnte, die Paare sprechen von »meinem Verlobten« oder »meiner Verlobten« statt von »meinem Mann« und »meiner Frau«. Sie bekommen keine Steuererleichterungen, ansonsten aber könnten sie genauso gut Eheleute sein, was sie aber in den wenigsten Fällen dann tatsächlich werden.
    Ivor und Juliet verlobten sich Ende Mai – wieder einmal ein willkommener Anlass für eine Party in der Glanvill Street, die wir aber diesmal nicht miterlebten, weil wir keinen Babysitter gefunden hatten. Bei drei Kindern ist das schwierig, besonders wenn eins noch kein Jahr alt ist. Meine Mutter war auf Mallorca, die Mutter von Iris auf der Verlobungsfeier. Wir mussten uns mit den Fotos in einem Boulevardblatt begnügen. Eins zeigte die Ankunft der Gäste, auf einem anderen führte Juliet stolz ihre mit Brillanten und Saphiren besetzte Trophäe an der rechten Hand vor. Mir schoss durch den Kopf, ob diese Fotos Beryl Palmer zu einem neuerlichen Besuch veranlassen würden, aber das war wohl nicht der Fall, zumindest erzählte uns Ivor nichts davon.
    Stattdessen machte ihm Sean Lynch eine besorgniserregende Mitteilung. Bei den Lynchs ließ sich Ivor nur noch sehr selten sehen, dafür lud er Sean zu allen größeren Veranstaltungen ein, bei denen dieser nicht weiter auffiel. Als ich Ivor gegenüber eine entsprechende Bemerkung machte, bestritt er das heftig. Sein Verhältnis zu Sean sei nicht anders als das zu seinen anderen Freunden, zu Jack zum Beispiel oder zu Erica Caxton oder den Trenants. Ich sparte mir den Einwand, dass er und Juliet die immer in kleinem Kreis trafen, denn ich wollte hören, was Sean ihm über eine Besucherin bei den Lynchs berichtet hatte.
    Eine Verlobungsfeier ist nicht die günstigste Gelegenheit, unangenehme Nachrichten loszuwerden, aber Sean hatte wohl keine andere Wahl. Er nahm Ivor beiseite und erzählte, er sei nach Hause gekommen und habe dort eine Frau vorgefunden, die Dermot und seine Mutter über Dermots Autounfall ausgefragt habe. Sie habe behauptet, vom Sozialamt Westminster zu sein, aber das habe er, Sean, ihr nicht abgenommen. Ivor fragte nach ihrem Namen, und als Sean sagte, er wisse ihn nicht, bat er ihn, sie zu beschreiben.
    »Hässlich wie die Nacht«, sagte Sean brutal, wie es seine Art war. »Klein, dürr, Krisselhaar.«
    Er habe den Eindruck gehabt, dass Sean ihm etwas vorenthielt, sagte Ivor. Seans Wut sei unverkennbar echt gewesen, dabei habe er aber offenbar nur so viel rausgelassen, wie Ivor seiner Meinung nach wissen musste. Seans nächster Satz war schon fast eine Bestätigung.

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