Das Geburtstagsgeschenk
und nicht lange, aber ich hörte meine Zähne zusammenschlagen. »Lassen Sie das!«, versuchte ich zu rufen, und »Bitte nicht!«, aber was herauskam, war nur ein ersticktes Flüstern. Er stieß mich weg.
»Scheißschnüfflerin! Verdammte Spionin!«
Seine Mutter protestierte, aber nur mit einem leisen Jammerlaut. Dermot saß wieder mit hängendem Kopf da. »Sie sollten sich schämen herzukommen, meinen Bruder zu schikanieren und meiner Mutter Angst einzujagen. Schauen Sie sich die beiden an, eine Wahnsinnsangst haben die.«
»Ich geh ja schon«, brachte ich heraus und: »Lassen Sie mich vorbei.«
Er stand in seiner ganzen Breite in der Tür. Leder, besonders schwarzes Leder, eigentlich ja nur die Haut von einem harmlosen Tier, wirkt beängstigend. Ein Mann – jeder Mann! – in schwarzem Leder ist beängstigender als in schwarzem Stoff. Warum wollte Ivor Tesham Hebe in schwarzem Leder sehen, wo doch schwarze Seide und Spitze so viel kleidsamer und femininer sind? Sean hatte noch dazu einen Gürtel aus dickem schwarzen Leder, der mit Beschlägen und Stacheln aus Messing besetzt war. Ich musste an das Hundehalsband denken, das ich unter Hebes Sachen gefunden hatte.
»Bitte lassen Sie mich gehen«, wimmerte ich.
Mrs. Lynch hatte uns den Rücken zugewandt. Jetzt trat sie zu Dermot und legte ihm eine Hand auf die hängende Schulter.
»Gehen? Hochkantig rausschmeißen werd ich dich, du Kuh!«
Sean Lynch drehte mich herum, legte mir die Hände hinter dem Rücken zusammen, als ob er mich mit Handschellen fesseln wollte, und schubste mich in Richtung Wohnungstür. Er hatte mich fest an sich gedrückt, Schnallen und Beschläge schnitten mir ins Fleisch. Ich spürte seinen Atem heiß im Nacken und in meinem Haar und dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte, aber da stieß er mich gegen die geschlossene Wohnungstür, so dass ich mit der Stirn an das Holz prallte. Ich schrie auf. Er zog mich wieder an sich, schüttelte mich heftig, riss die Tür auf und gab mir einen Stoß ins Kreuz. Ich stolperte und stürzte, alle viere von mir gestreckt, auf den Betonboden.
Die Tür schlug hinter mir zu.
Das ist jetzt drei Tage her.
Gebrochen ist nichts, aber ich habe Prellungen, an der Stirn eine Beule von dem Stoß, mit dem er mich gegen die Tür geschleudert hat, und Knie und Handflächen sind aufgeschürft wie bei Kindern, wenn sie hingefallen sind. Aber der Schock, das Zittern und Schlottern, ist vorbei. Und ich habe bekommen, was ich haben wollte, die Verbindung zwischen den Lynchs und Ivor Tesham. Ich brauche mich nie mehr in die Nähe von Sean Lynch und Dermot und seiner Mutter zu wagen, wir werden uns nicht wiedersehen, denn die Lynchs wollen bestimmt auch nichts mehr mit mir zu tun haben. Außerdem wissen die ja nicht, wer ich bin oder wo ich wohne.
Die Schlaflosigkeit aber ist schlimmer denn je. Jetzt ist es nicht mehr Callum mit seinem Hund, der mich wach hält. Ich sehe ein Bild – ein Standfoto, aber in Farbe – von diesem Mann, der mich mit dem Kopf gegen die Tür stößt, ich sehe die grüne Farbe an der Tür und daneben das Bild des leidenden Heilands. Wenn ich dann doch einschlafe, gerät alles in Bewegung, ich spüre den heißen Atem in meinem Nacken, die Beschläge und Stacheln, die in meinen Rücken schneiden, und im Traum ist dieses Gefühl intensiver und schmerzhafter als in Wirklichkeit. Wenn ich aufwache, weine ich echte Tränen, mein Herz rast, mein Nachthemd ist schweißgetränkt. Lebensbedrohlich.
Dann liege ich im Dunkeln, friere von dem kalten Schweiß und sage mir, dass ich nicht den Mut aufbringen werde, Tesham gegenüberzutreten. Wenn er Sean Lynch auf mich hetzt, werde ich klein beigeben, werde auf die Knie fallen, heulen und um Gnade flehen. Vor Angst, ich könnte einen Infarkt kriegen, wird mir das Herz stehen bleiben. Doch das sind nächtliche Phantasien, in denen aus gesetzestreuen Bürgern Gangster werden, die außer Rand und Band geraten. Morgens sehe ich die Dinge anders, morgens sehen wir alles anders. Warum können wir uns, wenn wir das doch wissen, damit nicht gegen die grausigen Träume in der Nacht wehren? Wer kann das wissen?
Ich muss aber zu Tesham. Nachdem ich so weit gekommen bin und so viel durchgemacht habe, kann ich jetzt nicht aufgeben. Früher habe ich gedacht, dass wir nur nachts durchdrehen und uns selbst nicht mehr kennen, aber jetzt passiert mir das auch tagsüber. Ob es besser wird, wenn ich Geld habe? Ob ich frei sein werde, wenn Tesham mir Geld
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