Das gefallene Imperium 1: Die letzte Bastion (German Edition)
trugen sie eine Art Tunika, deren Hauptzweck es wohl sein sollte, Außenskelett und Haut der Drizil vor dem Aufscheuern durch ihre Rüstungen zu verhindern. Die Tuniken hatte man ihnen gelassen.
Man durfte aber nie aus den Augen verlieren, dass die Drizil noch eine andere Waffe besaßen, eine Waffe, die man ihnen nicht wegnehmen konnte: ihre Stimme, die für Menschen tödlich sein konnte. Aus diesem Grund hatte René darauf bestanden, dass Carlo während des Verhörs seinen Kampfanzug inklusive Helm trug. In diesem einen Punkt war er unerbittlich gewesen.
Carlo begnügte sich beinahe eine Stunde damit, die Drizil in ihrer Zelle einfach nur zu beobachten. Die fünf Legionäre hinter ihm bewegten sich in dieser Zeitspanne keinen Millimeter. Sie wirkten wie Statuen.
Der einzige Mensch im Raum, dem man seine Ruhe zu einem gewissen Grad anmerkte, war René. Er hatte bereits Verhören beigewohnt und wusste daher, dass man Geduld haben musste, um die Wand aus Angst, Wut und Hass seines Gegenübers zu durchbrechen.
Trotzdem wäre er jetzt lieber dort draußen gewesen und hätte an der Seite seiner Legionäre gegen die Invasoren gekämpft. Hier zu stehen wie bestellt und nicht abgeholt, lag ihm überhaupt nicht. Er brachte es allerdings nicht über sich, seinen Kommandanten zu verlassen. Als Stellvertreter fühlte er sich für ihn verantwortlich und er würde ihn, ohne zu zögern, mit dem eigenen Leben verteidigen.
Die Drizil beäugten die Menschen immer noch misstrauisch. René war sich sicher, dass sie angegriffen hätten, hätten sie die Möglichkeit besessen. Ihrer Haltung wohnte etwas Lauerndes inne.
Obwohl sie gefangen waren, wirkten sie zutiefst bedrohlich. Eine Aura unterdrückter Erwartung lag über ihnen, als würden sie nur auf ihre Chance warten. Ein Gedanke, der René mehr beunruhigte, als er einem anderen Menschen gegenüber zugegeben hätte.
Endlich regte sich Carlo. Es war die erste Bewegung, seit er sich vor die Zelle gesetzt hatte. Die Drizil bemerkten die Bewegung ebenfalls und musterten ihren Gefängniswärter mit – wie René fand – neugierigen Mienen.
»Könnt ihr mich verstehen?«, fragte Carlo in die Stille hinein. Die Drizil gaben mit keinem Muskel zu verstehen, dass sie auch nur ein Wort verstanden hatten. Seine Stimme klang durch den Helm blechern und künstlich.
»Versteht ihr die menschliche Sprache?«, fragte Carlo erneut.
Wieder keine Reaktion.
»Habt ihr Hunger?« Carlo öffnete eine kleine Box, die Edgar Cutters Feuerteam aus dem feindlichen Schiffswrack geborgen hatte und in dem sich Drizilnahrung befand – jedenfalls vermuteten sie das.
In der Box lagen die Kadaver kleiner Nagetiere, Mäusen nicht unähnlich. Die Kadaver waren luftgetrocknet und haltbar gemacht, damit sie eine längere Reise überstanden. Die vorherrschende Meinung war, dass die Drizil lebendige Nahrung bevorzugten, jedoch für ihre Reisen im Weltraum die Nahrung vorher töteten und konservierten, um Platz an Bord ihrer Raumschiffe zu sparen. Außerdem musste Lebendnahrung auch gefüttert werden, weshalb man Futter für das eigene Futter einplanen musste. Da ergab es durchaus Sinn, dass sie auf ihren Reisen keine lebendigen Tiere mitnahmen.
Beim Anblick der Tiere bekamen drei der Drizil große Augen und kamen näher an die Gitter. Der vierte jedoch rief die drei mit einem barschen Befehl in ihrer eigenen Sprache zurück. Die drei Drizil gehorchten augenblicklich und mit deutlicher Scham.
René verzog die Mundwinkel zu einem wissenden Lächeln. Auch wenn die Drizil der Versuchung widerstanden hatten, so war dieser Versuch zu einem gewissen Grad doch von Erfolg gekrönt. Carlo hatte herausgefunden, wer von den Gefangenen das Sagen hatte.
Edgar Cutters anfänglicher Verdacht bestätigte sich: Dieser Drizil war eindeutig ein hoher Offizier, zumindest aber von diesen Gefangenen der ranghöchste. Der Art und Weise nach, wie die anderen reagiert hatten, musste es sich sogar um einen ziemlich ranghohen Offizier handeln. René überlegte, ob sie es mit dem Kommandanten des feindlichen Schiffes zu tun haben mochten. Die Spekulation war durchaus nicht von der Hand zu weisen, da sie diese vier Driziloffiziere auf der Brücke des feindlichen Großkampfschiffes gefunden hatten.
»Na schön«, sagte Carlo Rix, »offenbar habt ihr keinen Hunger.« Er schloss die Box wieder und schob sie aus der Reichweite der Drizil.
Mindestens zwei der Gefangenen folgten der Box mit sehnsüchtigen Blicken.
»Dann unterhalten wir uns
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