Das gefallene Imperium 1: Die letzte Bastion (German Edition)
aus den Kampfanzügen herausgekommen und beinahe ebenso lange befanden sie sich ohne Unterbrechung im Gefecht. Sie schliefen, wann immer sich die Möglichkeit dazu bot, auch wenn es lediglich fünf oder zehn Minuten Ruhe brachte. Schließlich wusste man nie, wann man die nächste Gelegenheit erhielt.
»Simon?«, fragte Daniel halblaut.
»Hm?!«, grunzte Simon lediglich als Antwort zurück.
»Hast du noch ein paar Rationen?«
»Drei oder vier. Wieso?«
»Zwei Häuser weiter versteckt sich eine Familie in dem, was von einem Keller noch übrig ist. Schleich dich rüber und gib ihnen was ab. Und wenn du schon dabei bist, gib ihnen auch das.« Daniel griff in eine der Taschen seines Kampfanzugs und förderte zwei Riegel seiner eigenen Rationen zutage, die er Simon zuwarf, der sie trotz aller Müdigkeit gekonnt aus der Luft fischte.
»Warum ich?«, fragte Simon trotzig.
»Weil ich das sage«, gab Daniel lediglich zur Antwort. Simon grunzte erneut etwas Unverständliches, ließ sich auch von Jonas einen Anteil seiner Rationen geben, setzte seinen Helm erneut auf und stapfte gebückt durch die Tür ihres provisorischen Verstecks.
Die Erschöpfung zehrte an Daniels Gliedern und ließ jede Bewegung zur Tortur werden, trotzdem stahl sich bei Simons Widerwillen ein Lächeln auf sein Gesicht.
Der Mann diente bereits lange unter Daniel und er kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass der Missmut des Legionärs zum Großteil nur gespielt war. Im Grunde war Simon ein grundgütiger und hilfsbereiter Kerl, nur hatte er es sich in den Kopf gesetzt, den Part des Nonkonformisten der Einheit zu übernehmen, und in dieser Eigenschaft lehnte er grundsätzlich jede Anweisung seines Vorgesetzten zunächst mal ab. Nur so aus Prinzip.
Natürlich nicht während eines Gefechts. Dafür war er zu sehr Profi. Doch jede andere Anweisung, die nicht unter die Rubrik überlebenswichtig fiel.
Daniel lugte über den Rand eines zerstörten Fensterrahmens und verfolgte Simons Gang zu besagtem Gebäude. Die Leiden der Zivilbevölkerung machten ihnen allen am meisten zu schaffen. Viele waren längst aus der umkämpften Stadt geflohen, doch Zehntausende harrten immer noch in den Ruinen aus, bangten, hofften und beteten um Rettung. Und die Legion tat alles, um diesen Bitten gerecht zu werden. Doch oftmals kamen sie schlicht zu spät, um noch etwas ausrichten zu können. Die Drizil waren nicht zimperlich. Allerdings war ihre Verhaltensweise auch nicht vorherzusagen.
Es gab Driziltruppen, die Zivilisten in Ruhe ließen, andere trieben sie lediglich zusammen und nahmen sie gefangen – und wiederum andere brachten sie an Ort und Stelle um. Niemand wusste genau, was die Drizil wollten, wie sie dachten oder wie sie handeln würden, sobald man ihnen in die Hände fiel.
Daniel spuckte aus, um den sauren Geschmack aus seinem Mund zu vertreiben. Das war nur ein weiterer Punkt auf der Liste, die er in seinem Kopf anlegte. Irgendwann würde er diese Liste Punkt für Punkt abarbeiten und den Drizil alles heimzahlen.
Er riss die Verpackung einer seiner Rationen auf und kaute lustlos auf dem darin enthaltenen Proteinriegel herum.
»Wie lange noch bis zum Treffpunkt?«, fragte Jonas mit leiser Stimme. Anhand des Tonfalls erkannte Daniel, dass der Mann kurz davorstand wegzudösen.
»Vielleicht zwei Stunden, falls wir Glück haben und uns auf dem Weg keine Drizil begegnen.«
Sein Trupp hatte den Befehl, sich mit anderen Feuertrupps und Teilen der Miliz zu treffen, um einen koordinierten Angriff auf einen Nachschubposten der Drizil durchzuführen. Die für den Angriff vorgesehenen Einheiten näherten sich auf unterschiedlichen Routen, um die Gefahr einer Entdeckung zu minimieren. Daniel fragte sich, wie viele es wohl schaffen würden. Speziell die Miliz hatte in den letzten Monaten schwere Verluste erlitten. Von den sechs Milizregimentern auf Vector Prime waren zwei gänzlich ausgelöscht und die vier anderen stark dezimiert worden. Dem Namen nach handelte es sich immer noch um vier, gemessen an der Mannschaftsstärke waren es jedoch höchstens zwei verstärkte Regimenter.
Jonas nickte geistesabwesend, seine Augen waren geschlossen. Daniel wusste, dass der Mann jedes Wort genau verstanden hatte, auch wenn sein Anblick etwas anderes suggerierte.
Simon kehrte zurück und ließ sich in den Staub sinken. Als er den Helm abnahm, bemerkte Daniel die trostlosen, traurig blickenden Augen.
»Wie geht es ihnen?«
»Sie haben Angst, frieren und hungern. Wie
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