Das gefallene Imperium 1: Die letzte Bastion (German Edition)
herzzerreißend vor Qual und Angst. Einige ihrer Leute wollten ihm helfen, doch Melissa winkte sie wieder zurück auf ihre Positionen. Sie hatte erkannt, was die anderen erst noch begreifen mussten: Für den Mann kam längst jede Hilfe zu spät. Sie zog ihre Pistole und schoss mehrere Projektile auf das Visier seines Helms. Das dritte Projektil zersplitterte das Visier, der vierte drang endlich durch und tötete den unglückseligen Marine.
Ihr Trupp stand betroffen daneben, während sie den Mann von seinen Leiden erlöste. Schließlich gab sie mit einer knappen Geste den Befehl, die Amöben zu töten. Drei Marines ließen sich das nicht zweimal sagen und hüllten den Leichnam ihres gefallenen Kameraden und die darin enthaltenen Amöben mit Feuer ein.
Melissa kämpfte mit sich. Brechreiz stieg in ihr auf. Nach außen hin zeigte sie eine Miene kalter Professionalität. Als unbeteiligter Beobachter hätte man den Eindruck gewinnen können, sie wäre vom Tod des Mannes völlig unberührt. Tatsächlich aber sah es in ihr ganz anders aus. Diesen Akt ausführen zu müssen, hatte sie alles an Überwindung gekostet. Der Name des Mannes war Michael Collins gewesen. Er hatte drei Jahre unter ihr gedient und Melissa hatte ihn sehr geschätzt. Sie öffnete eine Funkverbindung zur Brücke.
»Hier Major Ross. Wir rücken weiter vor.« Sie schluckte. »Ein Mann Verlust.«
Die Drizil stießen Vincent unter Einsatz ihrer Waffen und mit überraschend groben Stößen ihrer dünnen Ärmchen vor sich her. Waffen und Helm hatten sie ihm abgenommen.
Im ersten Augenblick hatte Vincent befürchtet, an Ort und Stelle umgebracht zu werden, doch diese Drizil verfolgten offenbar andere Pläne. Allem Anschein nach kannten sich die Drizil gut mit menschlichen Rang- und Einheitsabzeichen aus. Beim Anblick des Emblems, das ihn als Mitglied der 18. Legion auswies, war eine heftige Diskussion zwischen dem Anführer des feindlichen Trupps und zweien seiner Untergebenen entbrannt. Vincent beschlich das unangenehme Gefühl, die Drizil wussten sehr genau, dass er nicht nach Vector Prime gehörte und hier eigentlich nichts zu suchen hatte.
Die Drizil führten ihn in Richtung Stadtrand. Zu welchem Zweck konnte er nur mutmaßen, doch er befürchtete das Schlimmste: zunächst Befragung und anschließend Exekution.
»Boss?«, drängt Becky.
»Ich sehe es, Becky, ich sehe es«, erwiderte Edgar gepresst.
Der Trupp, einschließlich der drei Legionäre der 24., war auf dem Weg zum Stadtrand gewesen, als ihnen eine große Drizilpatrouille über den Weg lief. Die Überraschung aller war groß, als sie sahen, wen die Drizil als Gefangenen mit sich führten.
Vincent!
Er wirkte mitgenommen, aber weitgehend unverletzt. Das war die gute Nachricht. Die schlechte war, dass sie ihn ohne Kampf nicht würden befreien können, und das beinhaltete immer die Gefahr, weitere Driziltruppen auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Edgar warf einen Blick auf den anzuginternen Chronometer. Noch drei Stunden, bis der Angriff rollte. Bis dahin mussten sie am Bullfrog des Aufklärungs-Feuertrupps Nächtlicher Wahnsinn sein. Der Trupp, der kurz nach ihrer Ankunft auf Vector Prime aufgerieben worden war, hatte seinen Bullfrog in der Nähe des Stadtrands zurückgelassen. Es war die einzige Hoffnung, die ihnen blieb. Falls sie das Zeitfenster für ihre Extraktion verpassten, blieb ihnen keine andere Wahl, als auf dem Planeten zu verbleiben.
Es würde knapp werden. Verdammt knapp.
Vincent wurde von zwölf Drizil begleitet: drei vor, vier hinter und fünf neben ihm. Dass sich Vincent genau in ihrer Mitte befand, machte die Sache nicht leichter.
Edgar gab den anderen zu verstehen, sie sollen sich verteilen. Galen blieb zurück und sorgte für die notwendige Rückendeckung. Seine schwere Schnellfeuerwaffe wäre in dem bevorstehenden Schusswechsel für Vincent eine ebensolche Gefahr wie für die Drizil.
Daniel und seine zwei Legionäre schlichen geduckt weiter und versteckten sich in einer kleinen Gebäuderuine, die etwas erhöht im Verhältnis zur Straße stand.
Becky hielt sich zu Edgars Rechter und Li zu seiner Linken. Ihre kleine Streitmacht wartete nur auf sein Zeichen, um loszuschlagen. Für einen kurzen Moment überkam ihn Stolz auf seine Einheit. Niemand äußerte auch nur die Andeutung, Vincent zurückzulassen. Legionäre ließen einen Kameraden nicht im Stich. Niemals!
Vincent trug keinen Helm. Das konnte sich bei seinem Plan als Problem erweisen.
Edgar
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