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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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Schlammund hat das Bewusstsein verloren. Es ist nicht weit entfernt, etwa hundert Meter diesen Gang hinauf.»
    «Dann los!», sagte Tia und knotete das Seil auf.

••• 05   :   02 ••• CAROLIN •••
    «Das ist zwecklos», meinte Jürgen Traveen. «Jetzt laufen wir zum vierten Mal diese Felswand ab und haben nichts gefunden. Ihre Taschenlampe gibt schon kaum noch Licht.»
    «Einmal noch!», bat Carolin. «Oder machen Ihre Beine nicht mehr mit?»
    Traveen seufzte. «Ich schaffe es schon irgendwie.»
    Sie machten kehrt und wanderten erneut am Steilhang entlang, während der schwache Schimmer der beinahe erloschenen Lampe über Bäume und Büsche glitt.
    «Onesi   … ahl   …», flüsterte Carolin im Rhythmus ihrer Schritte.
    «Was?», fragte Traveen verständnislos.
    «Ach, ich versuche immer noch, in dem verstümmelten Funkspruch Ihrer Tochter irgendeinen Sinn zu erkennen.» Ein Gedanke streifte sie. Carolin blieb stehen und zückte ihr Handy.
    «Was haben Sie vor?»
    «Daran hätte ich schon viel früher denken sollen. Hier, halten Sie mal.» Sie drückte dem alten Mann die Taschenlampe in die Hand, lehnte sich an einen Baum und rief ihren Browser auf. «Das mache ich sonst immer: Wenn ich ein Wort nicht kenne, gebe ich es ins Internet ein.»
    «Und Sie glauben, das bringt etwas? Diese paar Silben?»
    «Ich habe eine spezielle Suchmaschine – ein kostenpflichtiger Dienst, aber dafür unterstützt er Wildcards und phonetische Erkennung.»
    «Bitte was?» Traveen lachte. «Mein Gott, diese jungen Leute mit ihrem Internet! Ich verstehe kein Wort.»
    «Genau dafür kann man diesen Suchdienst gebrauchen: für ein Wort, das man nicht kennt oder von dem man nicht genau weiß, wie es sich schreibt. Man benutzt Platzhalter für die unbekannten Buchstaben, sogenannte Wildcards.»
    Sie tippte.
    Suche: *onesi*
    «Nichts», stellte sie enttäuscht fest, als sie die Ergebnisse überflog. «Da kommen Seiten in einer Sprache, die ich nicht einmal kenne.»
    «Was haben Sie denn erwartet?»
    «Augenblick! Ich schreibe es mal anders   …»
    Suche: *onesie*
     
    Ergebnis:
    Meinten Sie: *onisie*?
    … wurde im 18.   Jahrhundert kol onisie rt   …
    … die Synchr onisie rung der Abläufe bei diesem System   …
    … plat onisie rte die Philosophie der frühen Neuzeit   …
    «Schauen Sie mal! Das könnte eine Spur sein», murmelte Carolin.
    «Was? Die Philosophie der frühen Neuzeit?»
    «Nein nein, aber es könnte Bestandteil eines Fremdworts sein. Onisieren   … kolonisieren, synchronisieren   …» Carolinrieb sich die Stirn. «In Schultzes Aufzeichnung folgte darauf etwas, das wie ‹ahl› klang. Vielleicht Wahl   … oder Zahl   …»
    Sie tippte erneut.
    Suche: *onisie*ahl*
    Carolin erstarrte, als sie das Suchergebnis sah. Die mitdenkende Suchmaschine hatte den Term vervollständigt und fragte in blau blinkender Schrift:
    Meinten Sie: i onisie rende Str ahl ung?
    Verwandte Suchbegriffe: Radioaktivität, Kernenergie
    «Mein Gott», flüsterte Carolin. Sie sagte sich die Worte mehrmals leise vor, um Rhythmus und Sprachmelodie mit dem zu vergleichen, was sie in Schultzes Mitschnitt gehört hatte. «Onisie   … ahl   …, onisie   … ahl   … ionisierende Strahlung. Das könnte es sein.»
    «Sie meinen radioaktive Strahlen?» Traveen runzelte die Stirn. «Glauben Sie nicht, dass Sie in diese paar verstümmelten Silben ein wenig zu viel hineininterpretieren?»
    «Möglich», gab Carolin zu – innerlich jedoch war sie sicher, dass ihre Interpretation zutraf. Schon oft hatte sie die Erfahrung gemacht, dass sie ihrer Intuition vertrauen konnte, besonders, wenn es um das Herstellen ungewöhnlicher Zusammenhänge ging.
    «Das Thema ist mir doch heute Nacht schon einmal begegnet», erinnerte sie sich plötzlich und rief ihre Suchanfragen der letzten Stunden ab. «Radioaktivität – da war etwas, und zwar im Zusammenhang mit Pilzen.»
    «Das wird ja immer verrückter», meinte Traveen. «Sollten wir nicht lieber   …»
    «Lassen Sie mich einen Moment lesen!», bat Carolin, die einen Artikel aus einer Wissenschaftszeitung gefunden hatte. Traveen verstummte, während sie mit einer Mischung aus Staunen und Schrecken den Text überflog. «Es gibt offenbar Pilze, die in der Lage sind, Energie aus radioaktiver Strahlung zu beziehen. Ihr Wachstum wird dadurch beschleunigt. Gefunden wurden sie in Tschernobyl, unter der Schutzhülle des Kernreaktors, der in den achtziger Jahren ausbrannte.»
    «Kaum zu

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