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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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Sie?», fragte Traveen.
    «Ich rufe einen Exkollegen im Ruhestand an. Er war vormir für das Lokalressort zuständig, ist hier geboren, kennt die städtische Prominenz und hat ein vorzügliches Gedächtnis für Klatsch und Tratsch.»
    «Du lieber Himmel – es ist fünf Uhr morgens!»
    «Er ist Frühaufsteher», winkte Carolin ab, das Telefon am Ohr. «Außerdem ist es nun einmal mein Job, Leuten auf die Nerven zu gehen.»

••• 05   :   16 ••• TIA •••
    «Kommen Sie klar?», rief Böttcher nach hinten. «Sollen wir langsamer gehen?»
    «Auf keinen Fall!», gab Tia zurück, die den humpelnden Leon stützte und einige Meter hinter den anderen zurückgeblieben war. «Wir kommen schon nach! Ich brauche kein Licht, und Leon verlässt sich auf mich – hoffe ich doch.»
    «Klar», bestätigte Leon.
    Die Schritte der anderen beschleunigten sich. Selbst Justin schien endgültig aus seiner Benommenheit erwacht zu sein, seit er wusste, dass sein Vater in Gefahr war.
    Tia war es nur recht, dass sie mit Leon zurückfiel. Wenn alles nach Plan verlief und sie sich dem Ausgang der Höhle näherten, blieb ihr nicht mehr viel Zeit, sich ihrem Partner anzuvertrauen – und das war unvermeidlich, denn sie selbst würde sich um Bringshaus kümmern und die Kinder in Leons Begleitung vorausschicken. Diesen Moment hatte Tia gefürchtet und immer wieder aufgeschoben, selbst am Syphon, wo sie mit Leon allein gewesen war. Sie hatte das Thema erfolgreich verdrängt, solange ihre Hauptsorge darin bestanden hatte,einen Ausweg aus dem Höhlensystem zu finden. Nun aber musste sie sprechen.
    Tia gab sich Zeit, bis die Schritte der anderen mehr als zehn Meter entfernt klangen. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen.
    «Leon?», flüsterte sie. «Erinnerst du dich an die Fässer in der Höhle?»
    Sie spürte, wie er ihr erstaunt das Gesicht zuwandte. «Wieso?»
    «Sprich leise!», bat Tia. «Ich will nicht, dass Justin und Dana es hören. Ich glaube, ich weiß, was es mit diesen Fässern auf sich hatte. Die Erde, die sie enthielten, ist verseucht. Vorhin, als wir gerastet haben, habe ich einen Funkspruch abgesetzt, um die Leute draußen zu warnen – allerdings ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass er gehört und verstanden wurde. Falls ich länger hier unten bleiben muss, um mich um Bringshaus zu kümmern, möchte ich, dass du mit Justin und Dana vorausgehst und alles Nötige veranlasst.»
    «Würdest du mir bitte verraten, wovon du redest?»
    «Wir brauchen Hilfsmittel zur Dekontamination, Jodpräparate, vielleicht sogar Blutkonserven zur Vorbeugung hämatologischer Schäden.»
    Tia hatte sich bei Leon untergehakt, um ihn zu stützen – nun fühlte sie deutlich, wie seine Armmuskeln sich verkrampften. Er war derart erschrocken, dass er einen Moment stehen blieb.
    «Wir müssen weiter», flüsterte Tia und zog ihn vorwärts.
    «Radioaktivität?», raunte er ungläubig zurück.
    «Ich wäre nie darauf gekommen», gab Tia zu, «wenn Justin nicht diese harmlose Bemerkung über das leuchtende Zifferblatt seiner Armbanduhr gemacht hätte: ‹
Ich dachte, da ist so ein radioaktives Zeug drin.›»
    «Tia, ich verstehe kein Wort!»
    «Die Fässer in der Höhle – eines von ihnen trug einen dreieckigen Warnaufkleber. Es war zerbrochen, und aus dem Innern war Erde herausgerieselt. Ich konnte keine giftige Substanz riechen, aber ich habe eine Probe genommen.»
    «Eine Probe?»
    «Mit einem Wolframröhrchen für Säureproben – zum Glück ist das Ding strahlensicher.»
    «Aber wie kommst du darauf, dass diese Erde radioaktiv war?»
    «Ich habe letztes Jahr einen Artikel in einer Fachzeitschrift gelesen – eine Studie über Pilze in Tschernobyl. Bei einer Untersuchung war aufgefallen, dass unter dem Betonmantel des ausgebrannten Reaktors Schimmelpilze wuchsen, obwohl man angenommen hatte, die Strahlung müsste für alle Lebewesen im näheren Umkreis tödlich sein. Ein Forscherteam machte Versuche mit diesen Pilzen und stellte fest, dass sich ihr Stoffwechsel unter Einfluss von Radioaktivität beschleunigte. Mit anderen Worten: Die Pilze wuchsen umso schneller, je stärker sie bestrahlt wurden.»
    «Das klingt ja wie in einem schlechten Horrorfilm!»
    «Du kannst es nachlesen, falls wir jemals hier herauskommen! Es ist wirklich wahr. Diese Pilze hatten eine Möglichkeit gefunden, ionisierende Strahlung in chemische Energie umzuwandeln. Und nun denk an unseren Monsterpilz hier unten: Das Auffälligste an ihm ist sein extrem schnelles

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