Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
Vom Netzwerk:
Wachstum. Ich gehe jede Wette ein, dass es die Strahlung ist, die ihn dazu befähigt.»
    «Wenn du mir jetzt noch erzählst, dass die Tschernobyl-Pilze Menschen fressen, glaube ich langsam, du hast den Höhlenkoller.»
    «Leon, ich gebe nur wieder, was von seriösen Wissenschaftlern nachgewiesen wurde! Zu den Pilzarten, die von radioaktiverStrahlung profitieren, gehören auch Wangiellen. In Tschernobyl fand man Unmengen davon. Diese Spezies ist dafür bekannt, dass sie beim Menschen gefährliche Erkrankungen des Unterhautgewebes verursachen kann. Der Pilz dringt über offene Verletzungen in den Körper ein, genau wie das Zeug, das hier unten wuchert.»
    «Aber kein Schimmelpilz bildet ein Myzel dieser Größe.»
    «Richtig, das tun normalerweise nur holzfressende Pilze. Aber angenommen – nur einmal angenommen   –, wir hätten es mit einer Hybride zu tun, einer Kreuzung zweier Arten.»
    «Wie sollten die beide in diese Höhle gelangt sein?»
    «Der Holzpilz wuchs vermutlich schon lange auf den Abfällen, die in der Höhle herumlagen, und der Schimmelpilz auf den Körpern der   …» Tia stockte. «In der Höhle lagen zwei menschliche Leichen. Sie waren vermutlich schon viele Jahre alt. Wahrscheinlich hat der Pilz sich von ihnen ernährt.»
    «Was?»
Leon schüttelte fassungslos den Kopf, sie hörte es am leisen Schaben seines Hemdkragens. «Gibt es sonst noch etwas, das du mir verschwiegen hast?»
    «Nein. Aber falls ich recht habe, ist der Pilz noch unser geringstes Problem. Wir haben uns lange in dieser Höhle aufgehalten, zwischen den Fässern gesessen, Boden und Wände berührt   …»
    «Also gut. Angenommen, deine Vermutung ist richtig, und die Fässer enthielten radioaktiven Abfall.»
    Tia wartete mit klopfendem Herzen. Leon war Physiker und in diesen Dingen besser beschlagen als sie.
    «Vielleicht können wir zumindest das Schlimmste ausschließen», überlegte er laut. «Die Strahlendosis kann nicht über drei Gray liegen, andernfalls wäre uns allen kotzübel – zumindest Dana, die am längsten da unten war. Allerdings ist das ein schwacher Trost, denn vermutlich haben wir Teilchen eingeatmet,die auf unseren Schleimhäuten kleben und munter weiterstrahlen. Dadurch könnte die kritische Dosis immer noch überschritten werden.»
    «Was wären die Folgen?»
    «Schwer zu sagen», erwiderte Leon dumpf. «Das Blutbild könnte sich verändern. Das Immunsystem könnte schwächeln. Möglich ist außerdem eine Schädigung der Keimdrüsen.»
    «Unfruchtbarkeit», nickte Tia.
    «Zu schweigen vom erhöhten Krebsrisiko.»
    «Ich weiß.»
    Leon verstummte für einen Moment.
    «Du glaubst also wirklich, dass jemand diese Höhle als illegales Lager für Atommüll benutzt hat?»
    Tia holte tief Luft. «Ich finde keine andere Erklärung.»
    «Und warum hast du keinen Ton gesagt?»
    «Ich wollte Justin und Dana keine Angst machen.»
    «Und warum hast du es
mir
nicht gesagt? Deinem besten Freund, der noch dazu Physiker ist und mehr als du von Ionenstrahlung versteht?»
    «Ja, du hast recht», räumte Tia ein. «Ich dachte nur   …»
    «Du dachtest nur, du müsstest wieder einmal alles mit dir allein ausmachen.» Leon schieg einen Moment, und Tia glaubte zu spüren, wie er resigniert den Kopf schüttelte. «Du und deine Geheimnistuerei.»
    «Vielleicht irre ich mich ja», gab Tia mit wenig Überzeugung zu bedenken.
    «Hoffen wir’s», murmelte Leon. «Aber falls du dich
nicht
irrst, müssen wir umso dringender zusehen, dass wir hier herauskommen.»

••• 05   :   20 ••• JUSTIN  •••
    Justin bemerkte, dass er zitterte. Bisher hatten sich seine Glieder schwer und taub angefühlt, nun aber ergriff ihn eine nervöse Erregung, ließ seinen Puls fliegen und seine Kehle eng werden.
    «Deinem Vater wird schon nichts passieren», tröstete Dana, die ihn am Arm führte.
    «Wie kannst du da so sicher sein?», gab Justin leise zurück. Nach Böttchers Beschreibung malte er sich bereits die schlimmsten Bilder aus.
    «Wir haben heute Nacht alle einen Schutzengel», sagte Dana. «Ist dir das noch nicht aufgefallen? Wo ist sie denn überhaupt?»
    Sie blickte über die Schulter zurück.
    «Tia? Leon?»
    «Wir kommen», hallte Leons Stimme aus dem dunklen Gang herauf.
    «Hier entlang!», sagte Böttcher, hielt die Lampe hoch und half ihnen über eine Felsstufe hinweg. Der Tunnel öffnete sich zu einem weitläufigen Hohlraum, der traubenförmig gegliedert, stark zerklüftet und kreuz und quer mit bizarren Säulen

Weitere Kostenlose Bücher