Das Geflecht
werde hier bleiben, damit ich ihn notfalls beatmen kann, falls sein Kreislauf kollabiert», versprach Tia.
«Ich bleibe auch bei ihm», bot Böttcher an. «Der Ausgang ist leicht zu finden, ihr müsst nur in dieser Richtung geradeaus gehen. Die Höhle mündet in einen ausgebauten Bergwerksstollen am Duwengrund.»
«Aber ich lasse meinen Vater nicht allein!», widersprach Justin.
«Seien Sie vernünftig, Justin!», sagte Tia scharf. «Sie sind unterkühlt, geschwächt und haben eine Pilzinfektion, genau wie Dana.»
Justin sah ein, dass weitere Diskussionen zwecklos waren. Er würde sich darauf verlassen müssen, dass Böttcher und Tia für seinen Vater sorgten, bis die Rettungshelfer mit einer Trage vor Ort waren. Immerhin beruhigte es ihn, zu sehen, wie Tia den Bewusstlosen mit geübtem Griff in die stabile Seitenlage brachte.
«Sie können die Lampe mitnehmen», sagte Böttcher und reichte Leon seine eigene, während er Bringshaus’ schlammbeschmierte Lampe an seiner Hose abwischte. «Wir haben ja noch diese hier.»
«Komm, Justin!», sagte Dana und ergriff seine Hand.
Justin wollte ihr eben folgen, als die Augenlider seines Vaters flatterten. Jörn Bringshaus schien zu sich zu kommen. SeineLippen bebten, als versuchte er etwas zu sagen, während sein Blick ziellos umherglitt und sich schließlich am Gesicht seines Sohnes fing.
«Papa?» Justin beugte sich zu ihm herab.
Bringshaus’ Augen bewegten sich in Böttchers Richtung, dann wieder zurück.
«Stronzo», flüsterte er. Dann schlossen sich seine Lider, und er atmete keuchend aus.
Stronzo?
Justin starrte in sein geschwärztes, von Fadenknäueln überzogenes Gesicht. «Papa! Was willst du mir sagen?»
«Er phantasiert vermutlich», meinte Tia, die seinen Puls fühlte. «Gehen Sie jetzt, Justin!»
••• 05 : 30 ••• CAROLIN •••
«Ralf Horn.»
«Hallo Ralf, hier ist Carolin.»
«Wer?»
«Carolin Frey, Ihre Nachfolgerin beim Lindener Anzeiger.»
«Mein Gott, Carolin … wissen Sie, wie spät es ist?»
«Tut mir wirklich leid! Aber es ist sehr dringend und kann nicht warten.»
«Wo brennt’s denn?»
«Ich brauche wieder einmal Ihr gutes Gedächtnis. Kennen Sie eine Spedition Böttcher?»
«Ja, sicher. Mittelständischer Betrieb im Industriegebiet. Der Inhaber ist gebürtiger Lindener. Hat ein Dutzend Angestellte und eine ansehnliche LK W-Flotte . Und dafür holen Sie mich aus dem Bett?»
«Es ist wirklich sehr wichtig! Leider habe ich nicht die Zeit, Ihnen die Zusammenhänge zu erklären. Erinnern Sie sich an irgendwelchen Klatsch über diese Firma? Stand jemals etwas in der Zeitung?»
«Lassen Sie mich nachdenken. Ja, doch, es gab da mal eine Geschichte, um das Jahr 2000 herum. In die Zeitung kam sie allerdings nicht. Soweit ich mich erinnere, ging es um eine falsch deklarierte Ladung.»
«Ach! Fallen Ihnen noch irgendwelche Einzelheiten ein?»
«Herrje, das ist so lange her. Ich glaube, es ging um einen Transport irgendwohin nach Osteuropa. Die Ladung war als Altöl gekennzeichnet, aber bei der Grenzkontrolle flog dann auf, dass es sich in Wahrheit um irgendeine hochgiftige Substanz handelte – Pestizide oder so was. Der Auftraggeber wurde wegen Verletzung der europäischen Müllverbringungs-Verordnung angezeigt, und eine Zeitlang hieß es, Böttcher könnte von dem Schwindel gewusst und mitgespielt haben.»
«Und was wurde aus der Sache?»
«Die Anklage wurde fallen gelassen. Entweder war der Kerl schlicht unschuldig, oder er hatte einen guten Anwalt. Jedenfalls habe ich nie wieder etwas darüber gehört.»
«Hochinteressant.»
«Hilft Ihnen das weiter?»
«Ich glaube schon.»
«Dann erklären Sie mir doch endlich, worum es geht!»
«Dazu habe ich leider im Augenblick keine Zeit. Aber ich verspreche Ihnen, dass Sie es bei nächster Gelegenheit erfahren. Besten Dank, Ralf!»
«Na, Sie haben’s aber eilig.»
«Ich muss schnell jemanden anrufen, es ist sozusagen ein Notfall. Schlafen Sie ruhig weiter!»
Carolin beendete das Gespräch und sah Jürgen Traveen triumphierendan. Ihre letzten Zweifel waren beseitigt. Inzwischen konnte sie sein Gesicht auch ohne Taschenlampe erkennen, denn die Morgendämmerung kroch über den Horizont, und bleiches Zwielicht lag über dem Duwengrund.
«Und?», fragte Traveen.
«Böttcher wurde schon einmal angezeigt», erklärte Carolin, «und zwar wegen unerlaubter Beförderung gefährlicher Abfälle ins Ausland.» Erneut rief sie ihr Adressbuch auf und suchte nach der
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