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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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Sie zauderte nicht länger, sondern lief los und stürzte blindlings durch den klaffenden Spalt in die gleißende Helligkeit hinter der Mauer.

21
    Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen.
    Romeo und Julia
    In dem Augenblick, in dem sie den Mauerspalt durchquerte, erlosch das Licht. Sie blieb erschreckt stehen, aber dann hörte sie, wie hinter ihr die Tick-Tacks zurückkehrten, und lief los.
    Ihre geblendeten Augen benötigten eine ganze Weile, bis sie wieder etwas erkennen konnten, deshalb musste sie sich bei ihren ersten Schritten von ihrem Gehör und den Füßen leiten lassen. Der Boden unter ihr war glatt und hart, und sie tastete sich hastig an einer Mauer entlang. Blitze fuhren durch ihr Blickfeld, Nachbilder des grellen Lichtes, in das sie bei ihrem Sprung durch den Mauerspalt geschaut hatte. Sie verfärbten sich langsam, wurden dunkler, rot, violett, verschwanden schließlich, und Pippa konnte wieder sehen, wohin sie lief.
    Noch immer kamen die gleichmäßig marschierenden Schritte der Uniformierten hinter ihr her. Sie war in einem langen, düsteren Gang, dessen schwache Beleuchtung irgendwoher aus den Wänden zu dringen schien.
    Der Gang machte eine scharfe Biegung, um die sie vorsichtig einen Blick warf, ehe sie weiterlief. Die Tick-Tacks kamen näher. Wenn nicht bald eine Möglichkeit auftauchte, sich zu verstecken oder die Uniformiertenabzuhängen, würden sie Pippa unweigerlich entdecken, und was dann geschah, wollte sie sich lieber nicht ausmalen.
    Eine weitere Biegung, aber dieses Mal teilte der Gang sich in zwei Richtungen. Pippa nahm, ohne zu überlegen, die linke Abzweigung und betete, dass die Tick-Tacks den anderen Weg nehmen würden.
    Türen. Dieser Gang besaß Türen. Sie griff im Vorbeilaufen nach einer Klinke, riss daran, aber die Tür ließ sich nicht öffnen und auch die nächste war verschlossen.
    Das Echo der marschierenden Füße hinter ihr wurde lauter. Anscheinend hatte sie den falschen Gang gewählt. Pippa stöhnte unterdrückt und zwang sich, noch schneller zu laufen.
    Der Gang endete an einem großen zweiflügligen Portal. Pippa stand ratlos davor – die mächtigen, lackschwarzen Türen mit den glänzend goldenen Intarsien wirkten nicht gerade wie der Eingang zu der Besenkammer, die sie sich jetzt als Versteck gewünscht hätte. Dieses Portal würde sie kaum ohne Aufsehen öffnen können.
    Die Schritte wurden immer lauter und sie klemmte hier zwischen Hammer und Amboss. Längeres Zaudern würde nur bewirken, dass die Grauen sie jeden Moment erreichten. Sie holte tief Luft und warf sich gegen einen Flügel der riesigen Tür, der langsam und lautlos nach innen schwang.
    Ein Saal, hoch und düster. Spiegelglatter, glänzend schwarzer Boden. Ein Säulenwald aus poliertem Stein wuchs vor ihr in die Höhe, sein oberes Ende verschwandin der Dunkelheit. Das matte Licht kam auch hier von nirgendwo, jedenfalls konnte Pippa keine Lampen oder Fackeln sehen.
    Sie schaute sich hastig um. Es gab keine Möbel oder Nischen, die ihr hätten Schutz bieten können. Am hinteren Ende des Saales führten drei Stufen zu einer Empore, auf der ein mächtiger Thron emporragte. Wenn sie sich dort hinter dem steinernen Sockel verbarg, würde man sie nicht gleich entdecken.
    Pippa rannte los. Den schweren Türflügel hatte sie, so gut es ging, wieder zugedrückt, aber das Portal stand nun einen Spaltbreit offen.
    Ihre Füße rutschten und schlitterten über den spiegelglatten Boden. Sie hörte ihr Keuchen von den Säulen widerhallen. Das Getrappel der Füße, das ihr eben noch auf den Fersen gewesen war, wurde leiser und verklang in der Ferne – anscheinend hatte sie das Echo genarrt und die Tick-Tacks waren doch in den anderen Gang abgebogen.
    Sie lief weiter, setzte sich einmal schmerzhaft auf den Po, weil ihre Füße wegrutschten, rappelte sich wieder auf und gelangte endlich zu der Empore. Mit letzter Kraft sprang sie die Stufen hinauf und ließ sich in den tiefen Schatten hinter dem Thronsitz fallen. Sie lehnte sich an den kühlen Stein und rang nach Luft, während Sternchen vor ihren Augen tanzten.
    So saß sie eine Weile, bis sie spürte, wie die Kälte vom Boden langsam in ihre Glieder zu kriechen begann. Es war still und friedlich, im Saal regte sich nichts außer ihr, und die Männer draußen waren fort.
    Pippa streckte ihre kalten Glieder und stand langsam auf. Sie konnte hier nicht bleiben. Wo mochten ihre Freunde gefangen gehalten werden? In diesem düsteren Schloss gab es sicher auch

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