Das gefrorene Lachen
jedem Absacken desschweren Drachenleibs in der Luft versuchte, ihrem Kehlkopf Gesellschaft zu leisten.
Sie tauchten in die tief hängenden Wolken – ein Gefühl, als würde man durch nasse Wäsche laufen. Pippa zog ihre ohnehin immer noch nasse Jacke enger um den Leib und blinzelte Wassertropfen aus ihren Wimpern.
Das schnaubende Pumpen, die Dampfstöße aus den Drachennüstern, das knatternde Heben und Senken der schweren Flügel setzte sich noch eine Weile fort, dann stürzte der Drache sich in eine steile Abwärtsspirale. Pippa schluckte wieder, klammerte sich fest, spürte den Druck in ihren Ohren wie einen dumpfen Schmerz. Ihr wurde von der schraubenden Abwärtsbewegung übel, aber gerade als sie überlegte, dass es eine gar nicht so schreckenerregende Möglichkeit wäre, einfach loszulassen und den Weg zum Boden aus eigener Kraft fortzusetzen, ging der Drache in einen sanften Sinkflug über, der kurz darauf in einer holpernden, rumpelnden Landung endete.
Bis auf die Knochen durchgeschüttelt löste Pippa ihren Klammergriff um die hornigen Auswüchse, während der Drache seine Schwingen an den Leib faltete und laut schnaufend eine letzte, alles verhüllende Dampfwolke ausstieß.
»Danke«, rief Pippa mit zitternder Stimme und knetete ihre verkrampften, kribbelnden Finger, die von dem nassen Flug kalt und klamm waren. »Ich bin aber doch froh, dass wir endlich da sind. Hilfst du mir hinunter?«
Der Drache stieß mit einer weiteren Dampfwolke ein Geräusch aus, das wie ein Lachen klang. Er neigte sichzur Seite und spannte seinen Flügel wie eine Rutschbahn zum Boden. Pippa hielt ihren Hut fest und ließ sich über die feste, ledrig-glatte Oberfläche hinabgleiten. Sie lachte und der Drache wiederholte sein amüsiert grollendes Geräusch. Er beugte den Kopf zu ihr herunter und sah sie eindringlich an.
Pippa, die das eigenartige Gefühl beschlich, diesen Blick zu kennen, legte vorsichtig eine Hand auf die zähnestarrende Schnauze des Untiers. »Danke«, sagte sie noch einmal. »Sehen wir uns wieder?«
Der Drache schloss die Augen und öffnete sie wieder. Er seufzte.
»Nein?«, sagte Pippa enttäuscht. »Ach.« Sie seufzte auch. »Dann leb wohl, Drache.« Sie nickte ihm zu und wandte sich um. Die Umgebung war in der Dunkelheit der wolkenverhangenen Nacht nicht zu erkennen. Düstere Gestalten, riesig groß, flankierten den Weg, auf dem sie stand. Ein Windstoß ließ sie schwanken, und das Rauschen, das gleichzeitig erklang, machte Pippa klar, dass die Gestalten Bäume sein mussten.
Sie drehte sich zu dem Drachen um, wollte ihn bitten, mit seinen Laternenaugen den Weg für sie zu beleuchten, aber das riesige Tier war vollkommen lautlos verschwunden. Pippa drehte sich wie ein Kreisel, doch der Drache war wirklich fort, als hätte es ihn nie gegeben.
»Wohin jetzt?«, flüsterte sie entmutigt. Dann zuckte sie die Schultern und ging einfach los. Sie würde schon irgendwo aus diesem finsteren
Wald herauskommen, denn wo ein Weg war, war auch immer ein Ziel, zu dem er führte.
Der Weg ging schnurgerade durch den Wald. Nichts regte sich, kein Laut war zu hören außer dem Rauschen der Baumkronen, wenn ein Windstoß hindurchfuhr. Kein Tier raschelte im Unterholz, kein Vogel schreckte auf, kein Licht von einer Behausung oder der Laterne eines Wanderers leuchtete durch das Dunkel. Sie war vollkommen allein, ganz und gar mutterseelenallein.
Wieder lief sie Schritt für Schritt, wieder wurden ihre Füße müde und ihre Beine schwer, wieder meldete sich ihr Magen und knurrte sehnsüchtig: »Butterbrot!«
Vielleicht hätte sie den Küchenwagen durchsuchen sollen, ob dort noch irgendetwas Essbares den Brand überlebt hatte. Aber nun war es zu spät, ihr Magen mochte knurren, so viel er wollte, das würde ihm nichts nützen.
Schritt für Schritt, Meter für Meter. Sie ertappte sich dabei, dass sie eingenickt war und im Halbschlaf weiter einen Fuß vor den anderen gesetzt hatte.
Dann weckte ein Licht ihre Aufmerksamkeit. Es schimmerte schwach in einem bösartigen Rot, das an Blut und verbranntes Fleisch erinnerte, durch die Dunkelheit.
Pippas Schritte wurden langsamer, hielten an. Das sah nicht einladend aus, o nein! Aber wenn dies das Auge des Sturms, das Herz des Bösen war, auf das sie zuging, dann konnte sie kaum erwarten, dass es freundlich, offen und einladend auf sie wartete.
Sie hatte sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wie sie in das Schloss hineingelangen wollte. Sie konnte wohl kaum ans Tor
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