Das gefrorene Lachen
zu verwandeln. Die einzelnen Wagen schoben sich ineinander, verschmolzen zu einem langen Wurm, der mit dicken Tatzen auf dem Grund stand. Zackige Auswüchse schoben sich hervor, ein stachliger Rückenkamm, ein dicker, langer Schwanz, der schon ungeduldig zu peitschen begann, als er noch in Teilen aus Holz und Trümmern bestand, massige Schultern, ein langer Hals, ein großer, langer Kopf, dessen Schnauze müde auf dem Boden ruhte. Riesige, gewölbte Augenkugeln, von ledrigen Lidern bedeckt, zuckten wie im Traum. Ein Paar mächtiger Schwingen lag eng an den schuppigen Leib gefaltet.
»Ein Drache«, hauchte Pippa und wunderte sich, dass sie keinerlei Angst verspürte. Wunderte sich erneut, als ihr einfiel, dass sie diese Verwandlung schon oft beobachtet hatte. Wie konnte es sein, dass sie dieses Wunder, diesen herrlichen Zauber von Mal zu Mal wieder vergessen hatte?
Der Drache zuckte mit den Lidern, ein Dampfstrahl schoss aus seinen Nüstern. Die Augen öffneten sich um einen winzigen Spalt, hinter dem es kaltgelb glühte.
»Oh, Drache«, sagte Pippa unwillkürlich und machte einen Schritt auf den Kopf des riesigen Untiers zu. »Drache, sie haben unser Theater zerstört und alle gefangen genommen.«
Das riesige Wesen drehte ihr seinen Kopf zu und öffnete die Augen. Heller Lichtschein ergoss sich über sie.
Pippa machte einen Schritt zurück. Wenn der Drache nun gar nicht freundlich war? Er konnte sie mit einem einzigen Happs verschlingen, so riesig war er und so großwar sein Maul. Aber dann fasste sie Mut – denn der Lindwurm war schließlich auch ein Teil des Theaters, und warum sollte ein Wesen ihr feindlich gesinnt sein, das sie bisher immer sicher von Ort zu Ort gebracht hatte?
Die riesigen gelben Lampenaugen musterten sie aufmerksam. Aus den Nüstern quoll immer noch weißer Dampf. Der Drache öffnete sein Maul, in dem beängstigend weiße, scharfe Zähne blitzten, entrollte eine lange, blaugrüne Zunge und stieß einen stöhnenden Laut aus. Er hob den Kopf schwankend in die Höhe, stemmte sich auf seine Beine und breitete die Schwingen aus, aber so langsam und vorsichtig, dass er Pippa mit der Bewegung nicht erschreckte.
»Ich muss zum Schloss«, sagte sie. »Kannst du mich dorthin bringen?«
Der Drache krümmte ihr den langen Hals entgegen, bis sein Kopf beinahe den Boden berührte. Gleichzeitig senkte er einen Flügel vor ihre Füße. Das Auge, das Pippa ansah, blinzelte mehrmals.
»Dort hinauf?«, fragte sie eingeschüchtert.
Der Drache blinzelte wieder.
»Oh«, sagte Pippa. »Oh, na gut.« Sie raffte ihren Rock und trat auf die schwankende Rampe, die der Flügel des Drachen bildete. Langsam, auf Händen und Füßen, erklomm sie den steilen Anstieg, hielt sich an den hornigen Auswüchsen fest, zog sich über die scharfe Klippe des Schulterblatts und stand schließlich schwankend und unsicher auf dem Rücken des großen Wesens. Seine Haut war fest und rau, die Muskeln, die sie darunter spürte, waren hart wie Stein. Es war schwer, darauf Haltzu finden. Sie ging in die Knie und tastete sich vorwärts auf der Suche nach einer Stelle, an der sie sich gut festhalten konnte.
Zwischen den Flügeln fand sie einige knotige Auswüchse, die dazu einluden, sich zwischen sie zu hocken und daran festzuhalten. Es war, als hätte sie der Drache extra für Pippa hier wachsen lassen. Sie klemmte sich zwischen die Buckel und Beulen, verschränkte ihre Beine um einen schmaleren Auswuchs, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und rief: »Ich bin oben und ich sitze gut.«
Wie zur Antwort stieg ein Strahl heißen Dampfes über dem Drachenkopf auf. Er sprang mit einem mächtigen Satz in die Luft und breitete die Flügel aus. Sie zerteilten mit knatternden Schlägen die Luft, hoben den schweren, langen Drachenleib langsam in die Höhe. Pippa fühlte die Muskeln unter sich arbeiten und hörte den zischenden, wie einen Blasebalg pumpenden Atem des riesigen Wesens.
Sie klammerte ihre Beine fest um den hornigen Auswuchs, weil der Luftzug, den die Schwingen des Drachen verursachten, sie aus ihrem festen Sitz zu reißen drohte. Der Wind pfiff ihr um die Ohren, sie hielt den Hut fest, kniff die Augen zusammen und bemühte sich darum, in der tobenden, brüllenden, rauschenden, auf und ab schwankenden Welt, die sie mit einem Mal umgab, die Orientierung zu behalten. So ähnlich musste es sein, wenn man sich in einem kleinen Boot einen Wasserfall hinabstürzte. Sie schluckte und sandte beruhigende Gedanken zu ihrem Magen, der bei
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