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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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klopfen und um Einlass bitten.
    Mit einer entschlossenen Bewegung öffnete sie den Beutel und nahm das Messer heraus. Dann drückte sie den Hut fest auf ihren Kopf und ging weiter. Irgendwo hinter diesem düsteren Licht wurden ihre Freunde gefangen gehalten. Irgendwo dort war August. Sie wusste es. Sie war die Einzige, die die Gefangenen befreien konnte, denn keiner außer ihr war noch dazu in der Lage. Also würde sie es eben tun, und was immer sie dafür benötigte, würde ihr schon rechtzeitig einfallen.
    Ein Drache wäre bei so einer Befreiungsaktion natürlich eine große Hilfe gewesen. Pippa seufzte.
    Das Licht erlosch, noch ehe sie seinen Ursprung erkannt hatte; aber bevor sie sich darüber Sorgen machen konnte, stand sie auch schon vor einer in den Himmel ragenden nachtschwarzen Mauer. Fugenlos und spiegelglatt wuchs sie aus dem Boden wie eine monströse steinerne Wucherung.
    Pippa verharrte eine Weile ratlos davor, dann wandte sie sich zur Seite und begann die Mauer abzugehen. Irgendwo musste ja schließlich ein Eingang sein.
    In der Ferne hörte sie das Heulen eines Tiers – ein großer Hund? Ein Wolf? Sie wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen. Andere Stimmen antworteten, aber das alles war weit weg und sollte sie nicht beunruhigen.
    Schritt für Schritt, Meter um Meter. Müde bis in den Kern ihrer Seele schleppte Pippa sich weiter. Was war sie an diesem Tag voller Schrecken nicht schon gelaufen? Und warum hatte der dumme Drache sie nicht innerhalb dieser Mauern abgesetzt?
    Schritt für Schritt. Ihre Hand tastete an der spiegelglatten Mauer entlang. Der finstere Wald rauschte unheimlich. Wieder das Geheul, dieses Mal etwas näher. Pippa blieb stehen und sah sich um, blickte dann zum Himmel auf. Über ihr in der sternenlosen Nacht zogen finstere Schatten stumme Kreise. Vögel? Oder etwas anderes, etwas Bösartiges und Gefährliches?
    Sie drängte sich enger an die Wand, von der eisige Kälte ausging. Schemenhaft konnte sie ihr eigenes Spiegelbild erkennen, eine düstere Pippa mit angstvoll aufgerissenen Augen, die sich neben ihr in der schwarzen Wand mühsam voranschleppte. Sie schauderte und wandte den Blick ab.
    Es heulte dicht neben ihr im dunklen Gestrüpp. Etwas Großes stapfte durch das Unterholz. Wieder das hustende Heulen und das Geräusch von splitterndem Holz. Sie hatte so etwas noch nie gehört, und ihr Verstand weigerte sich, sich ein Bild von dem Wesen zu machen, das diese Geräusche verursachte.
    Pippa ging schneller. Irgendwo musste es doch einen Eingang geben!
    Das Wesen, das neben ihr herlief, beschleunigte ebenfalls seinen Schritt. Es bahnte sich rücksichtslos seinen Weg durch den Wald, und der Lärm, den umfallende Bäume und brechendes Strauchwerk verursachten, war so laut wie ein Unwetter.
    Dann gesellte sich ein zweites zu dem ersten Wesen. Beide heulten sich abwechselnd an, dann sangen sie ein misstönendes Duett und dann schienen sie aufeinander loszugehen, und der Lärm, den sie machten, steigertesich zu infernalischen Ausmaßen. Pippa presste entsetzt die Hände vor die Ohren. Was, wenn die beiden Rivalen sich zusammentaten und stattdessen sie jagten?
    Einige Schritte vor ihr tat sich ein Spalt in der Wand auf, bläulich greller Lichtschein fiel auf den Weg und beleuchtete das Gestrüpp, in dem die beiden Wesen kämpften. Pippa erahnte einen Eindruck von Hörnern, Klauen und langen Zähnen, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit aber eilig der sich vergrößernden Öffnung in der Schlossmauer zu. Ein Eingang – aber zuerst schien etwas daraus hervorkommen zu wollen. Sie verharrte, drückte sich noch enger an die eisige Mauer, hielt den Atem an.
    Große, dunkle Gestalten drängten aus dem Spalt. Pippa musste die Augen vor dem grellen Licht zusammenkneifen, dann erkannte sie, dass es die schrecklichen grau Uniformierten waren, mit ihren Schultercapes, unter denen es leise tickte.
    Sie alle trugen Waffen, Gewehre und Saufedern, einige sogar kurze Schwerter, und schritten stumm und zielgerichtet auf die Quelle des Lärms zu.
    Pippa verharrte zitternd, bis der Letzte von ihnen aus dem Spalt gekommen und im Dickicht verschwunden war. Das Heulen und die Geräusche des Kampfes verstummten kurz, dann brachen sie erneut los, und diesmal gesellten sich das Krachen von Schüssen und gelegentliche scharfe Kommandos menschlicher Stimmen hinzu.
    Dann schrie eins der Wesen, auf das die Tick-Tacks Jagd machten, mit einer so grässlichen Stimme auf, dassPippa aus ihrer Erstarrung schreckte.

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