Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
Vom Netzwerk:
Tisch schlug. »Bitte?«, sagte er verwirrt. »Königliche Hoheit, was habe ich gesagt, das Euch so erzürnt?«
    August ließ einen deftigen Fluch hören, für den der Prinzipal ihm sicher eine ebenso saftige Maulschelle verpasst hätte. Pippa rief: »Aber August!« und musste trotz ihrer Verwirrung und Besorgnis lachen.
    »Also gut«, sagte sie. »Dann lasst uns sehen, wie wir das Rätsel lösen. August, du denkst das Gleiche wie ich?«
    Der junge Mann nickte. »Zarter Blütenzauber und seine Gedichte.«
    »Das ist das verzauberte Schloss«, fuhr Pippa fort. »Und der böse, kalte Ostwind, der alles erfrieren lässt …« Sie stockte und sah den Lehrer an, der ihnen aufmerksam lauschte. »Wer oder was ist dieser Ostwind?«
    Der alte Mann hob die Hände und schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht. Niemand, den ich kenne, hat ihn je zu Gesicht bekommen. Alle Gesetze, Verordnungen und Anweisungen werden über den Bürgermeister verlautbart und in Kraft gesetzt. Er und die anderen Tick-Tacks sorgen dafür, dass keiner aus der Reihe tanzt oder murrt oder auch nur über die guten alten Zeiten redet.«
    »Deswegen sitzen wir hier«, murmelte August.
    »Ja«, bestätigte der Lehrer. »Man kann niemandem trauen. Die Wände haben Ohren und Augen und eine schrecklich scharfe Nase.« Er blickte sich voller Unbehagen um, als sei ihm jetzt erst klar geworden, dass sie belauscht werden könnten. Er fuhr sich übers Gesicht und beugte sich wieder vor. »Auch wenn die offizielle Verlautbarung lautete, dass unser guter alter König abgedankt habe und nunmehr seinen Ruhestand in Perancis genieße, habe ich das nie geglaubt. Ich habe immer vermutet,dass unser neuer Herrscher die königliche Familie und den ganzen Hofstaat irgendwo gegen ihren Willen und mit Gewalt festhält.« Er nickte bedeutungsvoll und sah dann August an. »Bis Ihr hier zur Tür hereinkamt, in dieser erstaunlich guten Verkleidung, Königliche Hoheit. Pardon. Mein Prinz. Augusti... August.«
    Pippa sah, wie Zorn einen Schatten über Augusts Gesicht warf. »Ich fürchte, wir sind nicht diejenigen, für die Sie uns halten«, sagte sie schnell. »Es tut mir leid. Wir gehören zum Theater, das hier gastiert. Nichts weiter. Wir sind nichts Besonderes.«
    Der Lehrer nickte, als hätte sie etwas ganz besonders Kluges gesagt. »Ja, das ist gut«, erwiderte er ernst. »Es ist zu gefährlich, viel zu gefährlich! Wenn die Gendarmen euch aufgreifen, wenn ihr den Tick-Tacks auffallt – oh, es wäre nicht auszudenken!« Er beugte sich noch ein wenig weiter vor und flüsterte: »Eure Eltern – Leberecht hat deinen Vater erkannt, liebes Kind, und Andres’ Mutter den Eurer Hoh... äh. Haben sich denn alle vom Hof dort in dieses Theater gerettet?«
    Pippa schauderte unwillkürlich. »Mein Vater«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Ich glaube nicht, dass er derjenige ist, den der Herr dort draußen erkannt haben will. Mein Vater ist ganz anders.« Nicht mein Vater, sagte die Stimme in ihrem Kopf. Lorenzo kann nicht mein Vater sein. Mein Vater ist ganz anders …
    »Und Eur... deine Eltern?«, wandte der Lehrer sich an August.
    »Mein Vater ist der Prinzipal«, erwiderte August kurz angebunden.
    Der Lehrer nickte bedeutungsvoll. »Prinzipal. Natürlich, natürlich. Was sonst.« Er rang die Hände. »Was für ein Durcheinander«, klagte er. »Was plant der Prinzipal denn nun? Will er sich seinen Thron mit Gewalt zurückholen oder lieber doch mit List und Zauberei? Seine treuen Untertanen stehen hinter ihm, egal was er auch vorhaben mag. Wir werden für ihn kämpfen, das werden wir! Bis auf die Tick-Tacks«, fügte er ein wenig kleinlaut hinzu.
    Pippa hasste es, ihm den winzigen Funken Hoffnung zu nehmen, der in seinen Augen aufschimmerte. »Ich weiß es nicht«, sagte sie ehrlich. »Wir haben jetzt eine Menge, worüber wir nachdenken müssen. Nicht wahr, August?«
    Der junge Mann nickte mit verbissener Miene.
    »Ja, das denke ich mir«, erwiderte der Lehrer eifrig. Er hob den Kopf und schaute zu dem schmutzblinden Fenster, das in die schmale Hintertür eingelassen war. »Es wird dunkel. Bald ist Sperrstunde. Ihr solltet dann nicht mehr auf der Straße unterwegs sein, sonst werdet ihr aufgegriffen und arretiert.« Er erhob sich mit einer entschlossenen Bewegung. »Ich bringe euch lieber durch die Hintertür hinaus. Das Wirtshaus ist längst geschlossen, es würde auffallen, wenn ihr vorne auf dem Marktplatz herauskommt.« Er fischte fahrig in seiner Rocktasche nach dem

Weitere Kostenlose Bücher