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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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acht an. Wir haben ungefähr eine halbe Stunde vom Strand zum Hotel gebraucht. Wenn der Mörder heimlich die Sitzung verlassen hat, hätte er niemals vor der Pause um halb zehn zurück sein können. Der Zufahrtsweg war nicht befahrbar, also konnte auch von dort niemand kommen – es würde viel zu lange dauern, bis zur Hauptstraße hinaufzulaufen.«
    »Weißt du, wer alles bei der Séance war?«, fragte Matthias. »Es bringt nichts, eine ganze Gruppe von Menschen auszuschließen, wenn du noch nicht mal weißt, wer daran teilgenommen hat.«
    »Nein, aber Vigdís weiß sicherlich ungefähr, wer dort war. Sie hat den Eintritt kassiert«, sagte Dóra. »Und es haben bestimmt viele mit Kreditkarte gezahlt, sodass wir schon mal ein paar Namen hätten.«
    »Aber solltest du dich nicht lieber darauf konzentrieren,
wer
in Frage kommt, als
wer nicht
in Frage kommt?«, meinte Matthias.
    »Doch, aber auf diese Weise kann ich ziemlich viele ausschließen. Und habe ich eine Liste über alle, die Jónas möglicherweise in der Pause gesehen haben, und könnte ihm somit ein Alibi verschaffen.« Dóra beobachtete eine Möwe, die über sie hinwegflog. »Es sei denn, der Mörder ist zum Strand geflogen«, sagte sie nachdenklich und stieß sich dann abrupt vom Wagen ab. »Was ist mit dem Seeweg? Hätte der Mörder mit einem Motorboot in die Bucht fahren können?«
    Matthias wirkte nicht halb so enthusiastisch wie sie. »Ist das nicht ziemlich unwahrscheinlich?«, gab er zu bedenken. »Wir waren doch in der Bucht, und ich hatte nicht den Eindruck, dass man dort am Strand anlegen konnte. Ein Boot würde sofort auf Grund laufen.« Dann fügte er nachdenklich hinzu: »Aber da war ein Betonpier. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit.« Er grübelte weiter. »Das Boot hätte dann vor der Séance hier am Hotelsteg liegen müssen. Vielleicht erinnert sich da jemand daran. Lass uns hingehen und die Stelle ansehen.«
    Sie gingen am Hotel entlang hinunter zum kleinen Steg. Dort drehte Matthias sich um und schaute zurück zum Hotel. »Hier kann man uns vom Hotel aus kaum sehen«, sagte er. Das Hoteldach war von ihrem Standpunkt auszumachen, aber die darunterliegenden Fenster und Türen nicht. »Hier könnte man sich in aller Ruhe zu schaffen machen.« Er sah sich um. »Außerdem wirkt es so, als würde dieser Steg nicht oft benutzt. Nirgendwo Pfähle, an denen man Boote vertäuen kann.«
    Dóra schaute an den Seiten des Stegs hinunter ins Wasser, sah jedoch keine Reifen oder andere Utensilien, die darauf schließen ließen, dass der Steg benutzt wurde. »Stimmt«, sagte sie. »Aber ich frage Vigdís trotzdem, ob sie an dem Abend ein Boot gesehen hat.« Der Wind hatte gedreht, und der Geruch des gestrandeten Wals stieg ihnen in die Nasen. »Pfui«, sagte Dóra und überblickte den Küstenstreifen in die Richtung, aus der der Wind kam. »Da ist der Kadaver, guck mal!« Sie zeigte auf einen großen schwarzen Haufen in beträchtlicher Entfernung.
    Matthias hielt sich die Nase zu. »Was ist das eigentlich? Das scheint der schlimmste Gestank auf der ganzen Welt zu sein.«
    »Sollen wir mal nachsehen?«, schlug Dóra vor. »Ein Umweg durch die kleine Bucht dauert nicht lange.«
    Matthias blickte von dem Küstenstreifen zu Dóra. »Ich könnte schwören, dass du das wirklich ernst meinst. Du willst dahingehen und dir einen Riesenhaufen verwestes Fleisch angucken.«
    »Ja, klar. Es ist nicht weit«, entgegnete Dóra, aber im selben Moment klingelte ihr Handy. Als sie die Nummer sah, seufzte sie. »Hallo.«
    »Hast du mal dran gedacht, meine unzähligen SMS zu beantworten oder ignorierst du die einfach?«, sagte ihr Ex-Mann wütend. »Ich weiß ja nicht, wo du dich rumtreibst, aber es ist ziemlich ätzend, dass du nie Empfang hast. Ich bin doch nicht blöd, ich weiß genau, dass du dein Handy ausgeschaltet hast, damit du dich mit irgendeinem Typen amüsieren kannst.«
    Dóra bemühte sich zwar, konnte sich aber bei einer solchen Standpauke nicht beherrschen. »Jetzt halt mal die Luft an, Hannes«, sagte sie. »Ich arbeite hier, und wenn du jemals die Nationalstraße verlassen hättest, wüsstest du sehr genau, dass nicht überall Empfang ist.« Ihre Worte waren eiskalt, obwohl sie selbst erst vor wenigen Tagen hinter diese Tatsache gekommen war. »Ich habe dir nur mitzuteilen, dass Gylfi und Sóley sich in unmittelbarer Nähe von Selfoss befinden und dort abgeholt werden müssen. Sigga ist auch dabei.«
    »Und was soll ich tun?«, brüllte Hannes zurück.

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