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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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als dass er diese absurde Forderung nach Untersuchungshaft ablehnt.« Stolz schaute er sie an. »Toll, wie du die Nummern der Paragraphen aufgesagt hast!«
    Dóra lächelte Jónas zu. Endlich jemand, der das Auswendiglernen zu schätzen wusste. Darauf hatte sie lange gewartet. Das Einzige, was ihre Freude trübte, war, dass derjenige, der sie so hoch lobte, im selben Atemzug von der Position der Gestirne sprach und zu allem Überfluss unter Mordverdacht stand. »Das war noch gar nichts«, sagte sie, »du solltest mal hören, wie ich die Nummern der Verordnungen und Paragraphen über Briefeinwurfklappen runterleiern kann.«
     
    Dóra ließ sich auf einen der Holzstühle vor dem Hoteleingang plumpsen, legte die schwere Mappe mit den Ermittlungsakten vor sich auf den Tisch und seufzte. Sie hatte die Mappe in einer Hagkaup-Plastiktüte vom Bezirksgericht ausgehändigt bekommen. »Hat leider nicht geklappt«, sagte sie zu Matthias, der neben ihr Platz nahm. »Er ist zu sieben Tagen Untersuchungshaft verurteilt worden.« Sie schaute in alle Richtungen. »Wo sind eigentlich die Kinder?«
    »Die gucken sich den gestrandeten Wal an«, sagte Matthias. »Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie meine Beschreibungen richtig verstanden haben; vielleicht erleben sie eine böse Überraschung.«
    Dóra zweifelte nicht daran. »Sie haben dich ganz bestimmt nicht richtig verstanden«, sagte sie. Sie kannte ihre Kinder gut genug, um zu wissen, dass keines von ihnen einen Umweg machen würde, um sich ein verwesendes Tier anzuschauen – und ganz gewiss keinen riesengroßen Wal. Dóra klopfte auf die orangene Plastiktüte. »Immerhin hab ich die Unterlagen bekommen«, sagte sie. »þórólfur hat versucht, die Herausgabe zu verzögern. Er hat vorgeschlagen, bei nächster Gelegenheit jemanden in Reykjavík an die Abschrift zu setzen, aber dann hat mir der Richter die Hilfe seiner Sekretärin angeboten, ihm die Mappe abgenommen und eine Kopie anfertigen lassen. Der Ankläger hatte sein Exemplar natürlich schon dabei.« Sie grinste über ihren kleinen, aber süßen Sieg. »Ich muss das umgehend durchsehen und kann nur hoffen, dass ich auf irgendetwas Neues stoße.«
    »Und wo ist dein Mandant jetzt?«
    »In Polizeibegleitung auf dem Weg ins Gefängnis nach Litla-Hraun. Es ist verdammt unpraktisch, dass sie Untersuchungshäftlinge auch dorthin bringen. Man ist aus der Stadt furchtbar lange unterwegs«, sagte Dóra. »Und von hier erst.«
    »Musst du nicht langsam zurück in die Stadt?«
    »Hier bin ich im Moment besser aufgehoben«, antwortete Dóra. »þórólfur meinte, sie würden Jónas in den kommenden zwei Tagen nicht verhören. Sie wollen sich auf die Ermittlungen vor Ort konzentrieren und die übrigen Zeugen, die bisher noch nicht greifbar waren, befragen. Er war nicht sehr erfreut über die Beurteilung der Ermittlungsergebnisse.«
    »Es war absolutes Glück, dass wir den Schlüssel in der Schreibtischschublade gefunden haben. So was gelingt uns bestimmt nicht nochmal.«
    »Ich weiß nicht. Irgendetwas stört mich. Und damit meine ich nicht die ganzen offenen Fragen.« Dóra erhob sich und nahm die Tüte in den Arm. »Ich blättere das schnell durch und schaue, ob ich etwas finde, das ein anderes Licht auf den Fall wirft. Übrigens war ich auch in der Bücherei und hab mir die Volksmärchen ausgeliehen, für den Fall, dass die Geschichte mit dem Vers uns weiterbringt«, sagte sie. »Es wird nicht lange dauern. Wäre toll, wenn du meine Kinder auf eine weitere Expedition schicken könntest, falls sie wiederauftauchen.«
     
    Zwei Stunden später verließ Dóra Jónas’ Büro. Im Grunde war sie keinen Schritt weitergekommen. Sie hatte jedes Dokument in der Mappe gelesen: zahlreiche Zeugenaussagen, mehrere Zusammenfassungen der Spurensicherung, zwei Obduktionsberichte sowie die Ergebnisse von Blut- und Sekretanalysen der beiden Toten. Die Ergebnisse der DNA -Untersuchung des Spermas aus Birnas Vagina befanden sich noch nicht in der Mappe, aber ein entsprechender Antrag war dabei. Des Weiteren gab es Ergebnisse der Blutgruppenbestimmung des Spermagebers, woraus hervorging, dass es sich um zwei Männer handelte. Dóra konnte nicht feststellen, ob diese Entdeckung auf Zufall beruhte oder ob es einen Verdacht gegeben hatte. Sie überlegte, wie oft es wohl vorkam, dass eine Frau am selben Tag mit zwei Männern Verkehr hatte. Ein Detail verstand sie nicht ganz. Aus dem Bericht ging hervor, dass außer dem Sperma noch eine weitere

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