Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Mann, diesen Magnús, suchen.«
Dóra musste zugeben, dass das ein wesentlich vernünftigerer Plan war, als tatenlos am Strand zu stehen, daher marschierten sie wieder zum Hotel. Dort erzählte ihnen Vigdís, sie hätte Magnús nicht gesehen, wahrscheinlich sei er auf seinem Zimmer. Sie gingen in den ersten Stock. »Ich übernehme das Reden«, sagte Dóra leise, während sie kräftig an die Tür klopfte. Aus dem Zimmer drangen Geräusche. »Er ist so alt, dass ich mir nicht sicher bin, ob er andere Sprachen als Isländisch und vielleicht Dänisch beherrscht. « Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Magnús Baldvinsson spähte hinaus. »Guten Tag Magnús, ich heiße Dóra, und das ist Matthias. Dürften wir kurz mit dir reden?«
»Warum?«, entgegnete er heiser. »Ich meine, wer seid ihr?«
»Ach, entschuldige bitte, ich bin die Rechtsanwältin von Jónas, dem Eigentümer des Hotels, und das ist mein Assistent.« Dóra unterdrückte das Verlangen, ihren Fuß in den Türspalt zu stellen und die Tür aufzustoßen. »Es dauert nicht lange. Du könntest uns eventuell behilflich sein.«
Erst vergrößerte sich der Spalt ein wenig, dann öffnete Magnús die Tür ganz. »Bitte sehr. Kommt rein.«
»Vielen Dank«, sagte Dóra und setzte sich. »Wir versprechen auch, dich nicht lange aufzuhalten.«
Magnús schaute sie fest an. »Ich habe nicht viel zu tun, mach dir keine Gedanken. Aus Erfahrung weiß ich, dass Zeit nur kostbar ist, solange man jung ist. Ihr werdet das noch erleben.«
»Ich weiß nicht, ob ich diese Erkenntnis teile«, entgegnete Dóra höflich. »Wir würden gerne mit dir über Birna sprechen, die Architektin, die tot am Strand gefunden wurde.« Sie beobachtete Magnús’ Reaktion genau.
»Ja, davon habe ich gehört. Furchtbar«, sagte Magnús ziemlich emotionslos. »Mir wurde gesagt, es handele sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Mord, was das Ganze noch tragischer macht.«
»Ja«, Dóra lächelte Magnús an, »wir versuchen, herauszufinden, wer ihr möglicherweise etwas hätte antun wollen.«
»Und ich gehöre zu dieser Gruppe?«, fragte Magnús trocken.
»Nein, keineswegs«, beeilte sich Dóra zu antworten. »Uns ist nur zu Ohren gekommen, dass du sie gekannt hast, und wir haben gehofft, du wüsstest vielleicht etwas, das uns weiterhelfen kann.«
»Gekannt?«, sagte Magnús verwundert, konnte aber seine Nervosität nicht verbergen. »Wer sagt denn, dass ich sie gekannt habe? Das stimmt doch gar nicht!«
»Vielleicht ist das zu viel gesagt«, entgegnete Dóra. »Du hast wohl an der Rezeption nach ihr gefragt. Daher bin ich davon ausgegangen, dass du sie gekannt hast.«
Magnús schwieg eine Weile. »Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern, aber mein Gedächtnis ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Falls ich nach ihr gefragt haben sollte, muss ich ihren Namen auf irgendeiner Liste gesehen haben. Meine Frau und ich suchen einen Architekten, vielleicht hat bei ihrem Namen etwas bei mir geklingelt. Seid ihr euch sicher, dass die Frau an der Rezeption mich gemeint hat?«
Dóra konnte sehen, dass er log. Sie überlegte, wie alt er eigentlich war. Vermutlich keinen Tag jünger als achtzig. Seit wann suchten Ehepaare über achtzig einen Architekten? Ihre eigenen Eltern waren gerade mal sechzig, und es war ihnen schon zu viel, ein neues Auto zu kaufen, geschweige denn irgendwelche Umbauten in Angriff zu nehmen. »Möchtest du bauen?«
»Was? Nein, nein«, antwortete Magnús und zögerte kurz. »Wir haben ein altes Sommerhaus in þingvellir, das wir umbauen möchten. Dafür brauchen wir Beratung.« Er schaute Dóra ausdruckslos an. »Es ist sehr schwierig, einen Architekten zu finden. Wir haben Hochkonjunktur.«
»Aber du bist doch wohl nicht hier, um nach einem Architekten zu suchen?«, fragte Dóra, entschlossen, den alten Mann nicht so leicht davonkommen zu lassen.
Magnús schaute sie missmutig an. »Nein, natürlich nicht. Der Grund für meinen Aufenthalt geht euch nichts an, und ich würde die Unterredung an diesem Punkt gerne beenden.« Er verstummte und wartete auf eine Reaktion. Die beiden saßen betreten da – Matthias, weil er kein einziges Wort verstanden hatte, und Dóra, weil sie den Mann nicht noch weiter bedrängen wollte. Als klar war, dass die beiden nichts sagen würden, ergriff Magnús erneut das Wort. Sein Ärger schien größtenteils verflogen zu sein. »Ich kann euch ebenso gut sagen, warum ich hier bin. Vielleicht lasst ihr mich dann in Ruhe. Ihr scheint zu
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