Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Bevor sie sich verabschiedeten, sagte Dóra zu Vigdís: »Und Magnús Baldvinsson? Ist der im Haus?«
Vigdís zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht. Er ist eben da draußen rumgelaufen. Normalerweise geht er nicht weit. Er wandert ums Haus, ist aber nie länger als eine Stunde unterwegs. Er ist schon so alt.«
»Ist er Witwer?«, fragte Dóra. »Jónas meinte, er sei allein hier.«
»Nein, das glaube ich nicht«, antwortete Vigdís. »Seine Frau hat ein paar Mal angerufen.«
»Komisch, dass sie nicht gemeinsam hier sind.«
»Vielleicht ist sie krank«, entgegnete Vigdís. »Kann das Haus nicht verlassen oder so.«
»Vielleicht treffen wir ihn nachher«, meinte Dóra.
Vigdís nickte nachdrücklich. »Ja, das solltet ihr unbedingt versuchen.«
»Warum?«, fragte Dóra.
»Ach, nur so. Er kannte Birna«, antwortete Vigdís. Sie wartete einen kleinen Moment und fügte dann hinzu: »Zumindest glaube ich, dass er sie kannte. Er hat nämlich beim Einchecken ausdrücklich nach ihr gefragt.«
»Wirklich?«, fragte Dóra erstaunt. Jónas hatte keine Verbindung zwischen Magnús und Birna erwähnt. »Weißt du, woher sie sich kannten?«
Vigdís schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
þröstur Laufeyjarson legte das Paddel auf dem Kajak ab und schaute auf die Stoppuhr an seinem Handgelenk. Trotz Intensivtraining schien er keine wirklichen Fortschritte zu machen. Das Boot schaukelte ruhig auf der Wasseroberfläche, während er überlegte, wie er seinen Trainingsplan optimieren könnte. Er atmete tief ein und seufzte. Der kleine Fitnessraum im Hotel war nicht besonders gut ausgestattet, und daher war es schwierig Muskelmasse aufzubauen. þröstur ließ dreimal die Schultern kreisen, um Verspannungen zu lösen, und spürte, wie ihm ein Schweißtropfen unter dem Neoprenanzug den Rücken hinunterlief. In Gedanken schon bei einer heißen Dusche mit anschließender Massage, wendete er das Kajak in aller Ruhe Richtung Ufer. Es reichte. Er würde am Nachmittag noch einmal hinausfahren, und dann würde es besser klappen.
Er lockerte seinen Griff um das Paddel ein wenig und kniff die Augen zusammen. Was waren das für Leute am Ufer? Als er sah, dass sie ihm zuwinkten, stöhnte er. Touristen. Falls es etwas Langweiligeres gab als Touristen und deren dumme Fragen, dann hatte er es glücklicherweise noch nicht erlebt.
Gehst du auf Walfang? Bist du schon mal bis nach Grönland gefahren?
Er überdachte die Situation. Sollte er sich etwa damit abfinden, auf diese Idioten zu treffen oder lieber wegpaddeln und woanders an Land gehen? Dann hätte er seine Ruhe, wäre aber wesentlich weiter vom Hotel entfernt. Er befeuchtete seine spröden Lippen und schmeckte Salz auf der Zunge. Die Leute winkten wild, und þröstur glaubte, die neu angereiste Frau zu erkennen. Dieselbe Frau, die an der Rezeption nach der Architektin gefragt hatte, als er gestern zurückgekommen war. Er hatte kein Interesse, mit ihr zu reden. Überhaupt kein Interesse. Wer weiß, was sie alles fragen würde. Ruhig wendete er das Kajak. Bevor er den Paddelschlag verstärkte, fiel sein Blick unbeabsichtigt auf das Blatt, so als rechne er damit, immer noch Blut darauf zu sehen. Natürlich war es weg. Es musste weg sein, er hatte es selbst abgewaschen und er machte immer alles perfekt. Er paddelte los.
»Was ist denn?«, rief Dóra aufs Meer hinaus, als das Kajak auf einmal drehte und sich schnell von ihnen entfernte. Sie hatte wild gestikuliert, um den Kajakfahrer auf sich aufmerksam zu machen. Jetzt ließ sie die Arme fallen. »Er hat uns ganz bestimmt gesehen. Was hat er denn?«
Matthias schirmte mit der Hand die Sonne ab und beobachtete, wie der Kajakfahrer zielstrebig in westlicher Richtung am Ufer entlangpaddelte. »Ja, er hat uns auf jeden Fall gesehen.« Das Kajak verschwand hinter einem Riff aus ihrem Blickfeld. »Ich glaube, er wollte nicht mit uns reden. Vielleicht ist er schüchtern.«
»Sollen wir noch warten?«, fragte Dóra, die diesen Unsympathen unbedingt so schnell wie möglich treffen wollte. Man konnte viel über Jónas sagen, aber er hatte eine gute Menschenkenntnis, und þröstur war ihm verdächtig vorgekommen. »Ist doch klar, dass er Dreck am Stecken hat. Sonst würde er doch mit uns reden.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete Matthias. »Vielleicht ist er einfach müde und hat keine Lust dazu. Er wird wohl kaum wissen, was wir von ihm wollen. Lass uns wieder reingehen. Wir treffen ihn bestimmt nachher. Komm, lass uns lieber den alten
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