Das gefrorene Licht. Island-Krimi
wir sie nach und nach veräußern.«
»Ihr besitzt immer noch Ländereien auf der Halbinsel?«
»Ja«, antwortete Börkur mit geschwollener Brust, »so einige.«
Dóra runzelte die Stirn. »Aber warum habt ihr Jónas dann nicht irgendein anderes Grundstück verkauft?«, fragte sie verwundert.
»Jónas hat nach einem Grundstück mit einem alten Wohnhaus gesucht«, antwortete Börkur genauso mürrisch wie zuvor. »Er war total scharf auf das Grundstück, als er gehört hat, dass sogar zwei Höfe darauf stehen.«
»Er hat uns, wie dir bekannt sein sollte, ein sehr gutes Angebot gemacht«, fügte Elín hinzu. »Es war einfach an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen, und so kam es dazu.«
Dóra kam das alles ziemlich unglaubwürdig vor, nicht zuletzt, weil Elín so kühl reagierte. Aus Furcht, die Frau mit weiteren Fragen noch mehr zu verschrecken, beschloss Dóra, das Thema zu wechseln. »Ihr kennt euch doch bestimmt gut mit der Geschichte der beiden Höfe aus, oder?«
»Gut?«, sagte Elín. »Wir kennen sie natürlich, aber leider bin ich sehr schlecht in Genealogie und Geschichte. Dasselbe gilt für meinen Bruder, leider.«
Börkur streckte seinen Rücken und räusperte sich. »Ich wollte mich immer näher damit beschäftigen, aber es ist ständig so viel zu tun, dass ich nie Zeit dazu habe.«
»Aber ihr habt doch bestimmt im Laufe der Jahre Geschichten von eurer Mutter gehört«, drängte Dóra. »Erinnert ihr euch an irgendetwas über die Höfe?«
»Mutter hat nicht viel über ihr Leben hier erzählt«, antwortete Elín. »Sie ist mit Großvater nach Reykjavík gezogen, als sie noch sehr jung war.« Elín starrte in ihren Schoß. »Natürlich ist es kein Geheimnis, dass ihr Leben kein Tanz auf Rosen war. Großmutter Kristrún ist gestorben, als Mutter noch ein Säugling war, und soweit wir wissen, war Großvater Grímur alles andere als ein vorbildlicher Vater. Er hatte gewisse Schwierigkeiten und kam nach Großmutters Tod nie wieder richtig auf die Beine.« Elín sah auf und schaute Dóra in die Augen. »Ich kann mich leider nicht an ihn erinnern oder ein Urteil über ihn fällen, aber er war bestimmt kein schlechter Mensch.«
Dóra hob die Augenbrauen. »Warum betonst du das? Hat er deiner Mutter etwas angetan?«
»Auf seine Weise, ja«, antwortete Elín. »Er hat sich umgebracht. Meine Mutter war erst neunzehn, und ich kann nur sagen, dass ich es nie zulassen würde, dass mein eigenes Kind eine solche Tat entdeckt. Deshalb war er für mich kein guter Vater, was man auch sonst über ihn sagen mag.«
»Hör doch auf«, fuhr ihr Börkur barsch über den Mund. »Du weißt sehr gut, dass der Mann krank war. Du kannst nicht davon ausgehen, dass ein krankhaft depressiver Mensch sich immerzu nach der gesellschaftlichen Moral richtet. Das sind nichts anderes als Vorurteile.«
Elín schaute ihn wütend an, entgegnete aber nichts. Sie drehte sich zu Dóra. »Mein Bruder hat natürlich nicht ganz unrecht.« Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Mutter die Ländereien hier auf der Halbinsel so wichtig waren, weil sie hier glücklich war. Großvater wurde erst krank, als sie in die Stadt zogen.«
»Ich verstehe«, sagte Dóra. »Das muss schwer gewesen sein.« Sie lächelte den Geschwistern mitfühlend zu und sprach dann weiter: »Ich habe auf dem Friedhof den Grabstein eurer Großmutter gesehen, aber euer Großvater Grímur scheint nicht neben ihr beerdigt zu sein. Darf ich fragen, warum?«
Elín presste die Lippen aufeinander. »Er hat keinen Wunsch hinterlassen, wo er beerdigt werden wollte, und Mutter wollte nicht, dass er hier in Snæfellsnes begraben wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sie ihn in ihrer Nähe haben wollte, und sie lebten damals in Reykjavík.«
Diese Erklärung kam Dóra seltsam vor. Sie setzte sich auf dem Sofa zurecht. »Wie ist das, wisst ihr etwas über die Geschichte seines Bruders Bjarni, der auf Kirkjustétt gelebt hat?«
»Er ist jung an Tuberkulose gestorben«, antwortete Börkur. »Er hat seine Frau ebenfalls früh verloren, daher ist die Geschichte der beiden Brüder recht ähnlich. Beide wurden früh Witwer, und beide hatten Töchter.«
»Sie starb auch«, sagte Dóra, » ... ich meine seine Tochter Guðný. An Tuberkulose, nicht wahr?«
»Ja«, beeilte sich Elín zu sagen. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, gefiel es ihr gar nicht, von ihrem Bruder unterbrochen zu werden. »Sie wurden beide krank und wollten nicht in die Stadt
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