Das Gegenkreuz
Kunst.
Das Ende der Rinne war zu sehen, denn dort schwappten die Wellen gegen eine flachere Stelle, deren Grund von einem grauen, leicht kiesigen Sand bedeckt war.
Bis dorthin konnten wir nicht. Das Wasser war einfach zu flach. Shuman bedeutete, dass wir aussteigen sollten, auch wenn wir uns nasse Füße holten.
»Wenn’s mehr nicht ist«, sagte Bill Conolly und verließ das Boot zuerst, um dann allerdings zu fluchen, als das Wasser fast bis zu seinen Knien hochspülte.
Uns erging es nicht anders. Ich weilte noch als Letzter an Bord und sprach ein paar Worte mit Shuman.
»Sie wissen Bescheid?«
»Ich habe alles behalten.«
»Wunderbar.«
Wahrscheinlich würden wir ihn anrufen und nicht umgekehrt. Wichtiger war die Eroberung der Insel, auch wenn dies mit nassen Füßen passierte.
In dieser Umgebung waren die Geräusche des Wassers und auch das Rauschen des Windes kaum zu hören. Da konnte man schon den Eindruck haben, in einer besonders stillen Umgebung zu sein, und nur das Tuckern des Schiffsmotors störte, als Shuman langsam zurücksetzte und dies auch schaffte.
Wir schauten nicht mehr zurück, sondern nach vorn, denn das war wichtiger...
***
Eine fremde Umgebung. Eine, die nur aus einer wilden Natur bestand. Hinter uns rollten die Wellen heran, fraßen sich im Sand fest, den wir auch vor uns sahen und der so etwas wie einen Weg oder Pfad bedeckte, der anstieg. Er hatte sich zwischen den Felsen gebildet, die uns beidseitig schützten.
»Wohin zuerst?«, fragte Suko.
»Mann, zu dieser Kirche natürlich«, sagte Bill.
»Okay.«
Wir machten uns auf den Weg. Wasser war in unsere Schuhe gelaufen, jetzt mussten wir darauf Acht geben, dass nicht noch Sand nachrann, dann würde das Laufen keinen Spaß machen.
Bill hatte es besonders eilig. Er ging an der Spitze mit langen Schritten und fluchte des Öfteren, wenn der weiche Boden unter ihm nachgab und er wieder ein Stück zurückrutschte.
Wir ließen es langsamer angehen. Nichts drängte uns. Wir hatten die Insel zu einem günstigen Zeitpunkt erreicht, denn es würde noch lange genug hell bleiben.
Bill wartete auf uns. Er drehte uns den Rücken zu. Als wir in seine Nähe kamen, hörten wir ein seltsames Geräusch. Sekunden später entpuppte es sich als Lachen, das unser Freund ausstieß und dabei immer wieder den Kopf schüttelte.
Ich wusste nicht, was er bei seinem Standort so spaßig fand, war rasch bei ihm und tippte ihm auf die Schulter, wobei ich nicht auf die Umgebung achtete.
Der Reporter drehte den Kopf nach rechts. Ich schaute in sein Gesicht. Es war noch zum Lachen verzogen, aber die Augen lachten auf keinen Fall mit.
»Was hast du?«
»Das frage ich dich, John.«
»Wieso?«
»Hast du uns nicht von einer Kirche mit vier Türmen erzählt, oder habe ich das geträumt?«
»Hast du nicht! Was soll der Unsinn?«
»Dann schau dich mal um.«
Ich drückte Bill zur Seite und bekam freie Sicht. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn von der Burg und der Kirche mit den vier Türmen war nichts mehr zu sehen...
***
Es wurde still um mich herum. Zumindest hörte ich keine menschlichen Geräusche mehr. Nur noch der Wind blies gegen meine Ohren, und ich fragte mich, ob ich unter Halluzinationen litt.
»Ja, John«, sagte auch Suko. »Wo hast du den Bau denn gesehen?«
Mein Gesicht verzog sich. »Verdammt noch mal, ich spinne doch nicht.« Meine Hand zuckte nach vorn. Danach bewegte sie sich in Etappen von einer Seite zur anderen.
»Wenn ich euch sage, dass dieses Ding hier genau vor uns gestanden hat, dann müsst ihr mir glauben.«
»Und wo ist es jetzt?«, fragte Bill.
»Das weiß ich nicht.«
»Hat sich in Luft aufgelöst.«
»So ähnlich.«
Verdammt, ich war auch sauer, aber ich konnte daran nichts ändern. Die Kirche oder das Kloster war nicht mehr zu sehen, und dabei hatte ich es genau gesehen. Jetzt schaute ich über den leicht welligen Boden hinweg mit seinem dürren Wintergras und auch den Steinen, die in unterschiedlicher Höhe zwischen dieser Steppe aufragten.
Auf diesem Eiland konnte kein Mensch leben. Es war einfach menschenfeindlich. Aber lebten hier überhaupt Menschen, oder war die Insel das Rückzugsgebiet für die toten Engel?
Daran glaubte ich eher, aber auch von ihnen war in diesem Fall nichts zu sehen.
Um meine Freunde zu überzeugen, beschrieb ich ihnen das Kloster oder die Kirche noch mal mit eindringlichen Worten, aber das brachte uns auch nicht weiter.
»Für ein Picknick fehlt uns der Proviant«, meinte Bill.
Weitere Kostenlose Bücher