Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Salat. Natürlich hat sie es gesehen.
loulouzauber: so was kommt doch vor unter frauen, oder?
silbermondauge: ständig
loulouzauber: und was ist mit deiner freundin? weiß sie von deinen ausflügen in die cyberwelt?
silbermondauge: sie weiß, dass ich viel herumchatte, ja
loulouzauber: weiß sie … von mir?
silbermondauge: nein
loulouzauber: warum nicht? könnt ihr darüber nicht reden?
silbermondauge: konntest du mit deinem freund darüber reden, wenn du dich in einen anderen verliebt hast? Oder einE anderE?
Diese Andeutung überfordert mich jetzt. Wir wissen ja gar nichts voneinander. Gar nichts. Nur Poesie ist zwischen uns geflossen, Witz und Charme. Aber sie weiß nicht, dass ich noch nie eine Frau geküsst habe. Ich weiß nicht, ob sie ihre Freundin regelmäßig betrügt.
Wir werden so viel kennen lernen müssen. Denke ich und erschrecke über das Gefühl, das dieser Gedanke auslöst. Eine völlig überraschende Welle von Vorfreude, die mich durchspült. Die Gewissheit, dass Schönes darauf wartet, entdeckt zu werden, von mir.
loulouzauber: und jetzt? was machen wir jetzt? ich meine, wollen wir uns jetzt verabschieden und beide sehen, dass wir mit unseren realitas klarkommen?
silbermondauge: willst du das?
Will ich das?
loulouzauber: nein
silbermondauge: ich auch nicht
loulouzauber: vielleicht sollten wir es dann nicht so machen
silbermondauge: vielleicht
loulouzauber: aber so wie es jetzt ist, kann es doch auch nicht weitergehen
silbermondauge: ich bin ratlos
loulouzauber: Na, das beruhigt mich ja. Als ob es mir anders ginge
silbermondauge: komm, wir gucken einfach, was passiert
Etwas anderes wäre mir jetzt auch nicht eingefallen.
Drei Tage lang höre ich nichts von Antonie.
Emma fragt nach ihr jeden Abend. Ob ich sie gesehen habe. Was sie macht. Wie sie ist.
Am Anfang antworte ich ihr. Aber dann schreibe ich manchmal, das gehe jetzt zu weit. Sie schnappt jedes Wort auf und dreht es in ihrem Kopf hin und her, betrachtet es von allen Seiten.
Spärlich ist sie mit ihren Erzählungen über ihre Freundin, Cordula. Obwohl ich am liebsten alles wissen möchte. Aber das sage ich ihr nicht. Ich nenne es Neugier im Prozess des Kennenlernens , wenn wir versuchen, über die andere etwas herauszufinden, indem wir zu diesen beiden Menschen Fragen stellen.
Wir erwähnen nicht ein einziges Mal das Wort ›Eifersucht‹. Das hat hier nun wirklich nichts zu suchen.
Ich sitze im Bett und lese in diesem verwirrenden Buch. Es ist schon nicht mehr Abend, sondern Nacht, aber ich will wissen, wie es weitergeht. Unbedingt. Doch das Lesen ist gar nicht so einfach. Nicht etwa, weil ich müde wäre. Ich bin nämlich putzmunter. Aber immer wieder sehe ich auf den Seiten nicht nur die Buchstaben, die dort gedruckt sind, sondern auch die, die ich vorhin noch auf dem Monitor schwarz auf weiß las.
Ach, Liebe , schrieb Emma heute Abend.
Und ich kann nicht wirklich gut vorwärtskommen in diesem Buch, weil ich unentwegt nachdenke. Darüber, wieso keine von uns seit unseren gegenseitigen Eröffnungen noch einmal die Sprache auf ein Treffen gebracht hat.
Mittlerweile glaube ich nicht länger, dass eine von uns enttäuscht sein könnte. Wir haben viel zu viel geteilt und preisgegeben inzwischen.
Was allerdings sein könnte, ist, dass es ernst wird. Könnte sein, dass wir uns treffen und dann eine Entscheidung fällt. Wie auch immer sie aussehen könnte. Ich glaube, davor scheuen wir zurück.
Ach, Liebe , schrieb sie.
So vertraut ist es manchmal zwischen uns, dass ich nicht glauben kann, dass wir uns gar nicht wirklich kennen. Manchmal ist es wie eine Zauberei, dass sie Dinge ahnt oder gar weiß, bevor ich sie aufgeschrieben habe. Als könne sie durch den Bildschirm und die elektronischen Übermittlungen in meinen Kopf – oder in mein Herz – schauen und dort lesen.
Michelin sagte heute, dass ich aus meinem traumähnlichen Zustand rausmuss.
»Tu irgendwas! Sonst versumpfst du in deinen Gedanken! So was kann Depressionen machen.«
»Aber was soll ich denn machen?«, antwortete ich ratlos. »Ich muss doch jetzt erst mal abwarten …«
»Abwarten! Abwarten!«, unterbrach sie mich auf ungewöhnlich brüske Weise. »Früher hast du doch auch nicht lange gefackelt. Wenn du irgendwas wolltest, dann bist du drauf zu und hast es dir genommen. Na ja, es zumindest versucht. Diese Passivität macht mich ganz zappelig.«
Vielleicht ist das der Knackpunkt. Wenn ich irgendwas wollte. Vielleicht weiß ich einfach zu wenig, was ich
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