Das geheime Bild
benötigen werde.«
»Sollte sie nicht auch daran teilnehmen?«
»Oh, ich finde, wir sollten im Moment noch keine anderen Mitarbeiter einweihen«, erwiderte er. Ich war mir da nicht so sicher. Eine kleine Stimme in mir bestand darauf, dass dies korrekt gemacht werden musste. Cathy sollte dabei sein. Oder Olivias Hausvorsteherin.
»Ich gehe jetzt nach unten, um Sofia zu begrüßen.« Er erhob sich, rückte seine Krawatte zurecht und wirkte plötzlich nervös, als wäre er derjenige, der eine Vorladung beim Direktor hatte, und nicht andersherum. Als er das Büro verließ, warf er einen Blick über seine Schulter. Vermutlich suchte er nach meiner abwesenden Mutter. Vergaß wohl für einen Moment, dass sie nicht hier war, um ihm bei dieser potenziell schwierigen Begegnung zur Seite zu stehen. Der Gedanke an sie und an Hugh versetzte mir einen Stich. Im Geiste nahm ich noch immer alles auf, was sich ereignete, um es später irgendwann für ihn abzuspielen. Ich schaltete mein geistiges Aufnahmegerät ab.
Ich hatte Sofia nur das eine Mal gesehen, als sie in Jeans und Sweatshirt ihren Pflichten als Haushälterin nachkam, das Haar war damals zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. An diesem Abend trug sie unter ihrem Übermantel einen schicken Hosenanzug, war dezent geschminkt und trug hohe Absätze. Als sie zusammen mit Dad den Raum betrat, wirkte sie glamourös und selbstsicher, durch und durch der Letchford-Typus. Ich musste zwinkern. Sie streckte mir ihre Hand entgegen. »So treffen wir uns wieder, Mrs. Cordingley.«
Ich errötete unter ihrem Blick. »Ja.« Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie, wobei ich mir klarmachte, dass diese Frau und ich aufgrund unserer Beziehung zu Olivia irgendwie miteinander verwandt waren.
Dad bedeutete ihr, Platz zu nehmen. Sie wählte das kleine Sofa, das im Neunziggradwinkel zu seinem Schreibtisch stand. Hoffentlich verschanzte er sich nicht dahinter und nahm seine Schuldirektorrolle ein. Er zog den Stuhl heraus und drehte ihn so, dass er ihr gegenübersaß. Sofia hielt ihre elegant bestrumpften Beine schräg und mit überkreuzten Knöcheln. Sie hätte auch ein Model sein können. Ich hockte mich auf die Schreibtischkante und kam mir dabei sehr plump vor. »Das hat uns alle überrascht«, sagte Dad mit sehr einfühlsamer Stimme. »Als ich Hana, Ihre Mutter, in der Tschechoslowakei zurückließ, wusste ich nicht, dass sie meinen Sohn erwartete.«
»Meinen Bruder Jan.« Ihre Züge wurden weich, als sie seinen Namen erwähnte.
»Wenn ich nur eine Ahnung gehabt hätte …« Er schüttelte den Kopf. »War es schwer für Sie und Jan, als Sie aufwuchsen?«
»Jan war schon fast zwölf, als ich geboren wurde. Wir haben also nicht miteinander gespielt. Er mochte meinen Vater. Ich erinnere mich, dass die beiden gemeinsam Fußball spielen gingen, wenn mein Vater von der Arbeit nach Hause kam.«
»War es eine glückliche Kindheit?«, fragte ich. Die ersten Jahre hatte sie unter dem alten kommunistischen Regime zugebracht. Ich hatte zwar keine Vorstellung davon, wie das gewesen sein mochte, aber es wird sicherlich in vielerlei Hinsicht eine andere Kindheit gewesen sein als die, die ich hier hatte.
»Ich habe sie als glücklich in Erinnerung.«
»War sie glücklich?« Dads Stimme zitterte ein wenig.
»Für Mama war es schwer«, sie warf ihm einen unsicheren Blick zu, »so jung schon ein Baby zu haben. Damals wurde von Frauen erwartet, dass sie erst heirateten und dann Kinder bekamen. Und keiner interessierte sich für eine Mutter mit einem Sohn. Es ist auch jetzt noch ein wenig so zu Hause in Tschechien. Sie ging arbeiten, und ihre ältere Cousine, Maria, die Sie in Prag getroffen haben, kümmerte sich um Jan.«
»Dann lernte Hana Ihren Vater kennen?«
»Er liebte sie und Jan. Aber er war ein Mann, ein tschechischer Mann. Er erwartete von meiner Mutter, dass sie nach ihrem Arbeitstag auch noch sämtliche Hausarbeit erledigte. Es gab Auseinandersetzungen.« Mit einem Achselzucken deutete sie an, dass dies keine Überraschung war.
Ich wollte Sofia fragen, wie sie aus dieser geistigen Enge ihren Weg nach England gefunden hatte. Sie war offensichtlich intelligent. »Ich studierte Pharmakologie«, berichtete sie, als könnte sie meine Gedanken lesen. »Aber zu Hause gab es nicht viele Stellen. Eine Freundin erzählte mir, ich könnte Geld verdienen, indem ich als Au-pair in England arbeitete, und das Geld dann nach Hause zu Maria schicken, meiner Tante. Und dann war da …« Sie hielt inne, um
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