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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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sich wieder zu sammeln.
    »Erzählen Sie uns von Irena«, forderte Dad sie auf. »Ich meine, von Olivia.«
    Sie wich seinem Blick aus, während sie ihre Antwort überlegte. »Abgesehen von mir und Maria, unserer Tante, hat sie niemanden mehr. Aber ich heiratete hier in England, und Olivia ging in Kent, wo wir wohnten, in die Dorfschule. Doch dann starb mein Mann, und ich musste mir einen anderen Job suchen.«
    Sie hielt inne und biss sich auf die Zunge. Etwas an dieser Geschichte schien nicht zu passen, aber ich kam nicht dahinter, welches Puzzleteil es war. Ich fragte mich, wann sie von der Letchford School und den Familienbanden erfahren hatte. Und wie? Hana war schon lange tot, und Sofia würde nicht notwendigerweise Karel Stastny mit Charles Statton in Verbindung gebracht haben.
    »Wann haben Sie herausgefunden, dass ich Olivias Großvater bin?«, fragte Dad.
    Sie musste bei diesen Worten blinzeln, als hätte sie gerade erst schlagartig begriffen, wer das Mädchen war. »Vor etwa einem Jahr. Ich wusste, dass Mamas alter Freund, Karel Stastny, als junger Mann 1968 oder 1969 nach England gegangen war. Aber erst im letzten Jahr fand ich heraus, dass Sie jetzt Mr. Charles Statton, der Direktor dieser Schule, sind.«
    Sie holte Luft. »Das erzählte mir eine Freundin. Den Kindern, die auf diese Schule gehen, liege die Welt zu Füßen, meinte sie. Da überlegte ich, dass Olivia auf diese Schule gehörte, wo Mr. Statton Direktor war.« Sie kniff die Augen zusammen und wirkte sehr konzentriert.
    Ich fragte mich, warum sie sich und Olivia nicht schon damals vorgestellt hatte. Ich wollte ihr diese Frage gerade stellen, da richtete sie sich auf und heftete ihren Blick auf etwas. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte ich.
    »Alles gut.« Aber ihre Augen waren noch immer schmal. Ich folgte ihrem Blick und sah, dass sie die Schachtel mit der Reborn-Puppe anstarrte. Sie bemerkte, dass mein Blick in dieselbe Richtung ging, und wandte sich ab, nicht ohne dass ihre Miene für einen kurzen Moment ihre Bestürzung spiegelte. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sie nach der Puppe zu fragen.
    »Hat Olivia sich denn gefreut hierherzukommen?«, wollte Dad wissen. Natürlich verlangte es ihn zu erfahren, dass diese Entscheidung dem Mädchen nicht aufgezwungen worden war. Voller Stolz hielt er an seiner Idee fest, dass nur Kinder aufgenommen werden sollten, die begeistert waren, nach Letchford zu kommen. »Erinnern Sie sich noch, wer das Aufnahmegespräch führte?«
    »Mr. Simon Radcliffe. Olivia schien sich zu freuen. Aber sie ging auch davon aus, dass sie mich vermissen würde.«
    Bis vor ein paar Jahren hatte Dad noch jeden Schüler selbst befragt. Jetzt bekam er nur noch jene zu Gesicht, die sich um ein Stipendium bewarben. Doch auch falls er Olivia persönlich im Aufnahmegespräch getroffen hätte, wäre es zweifelhaft, ob er dahintergekommen wäre, wer sie war.
    »Und sie hat keine Ahnung, dass sie mit mir verwandt ist?«, hakte Dad nach.
    »Nein, das hätte sie nie vermutet.«
    »Aber warum? Warum diese Schule?«, fragte ich. »Warum schickten Sie sie hierher, wenn sie gar nicht erfahren sollte, welche Verbindung bestand? Sie hätten sie auf eine Tagesschule in oder um Wokingham schicken können. Es wäre …«, billiger gewesen, wollte ich sagen. Dann fiel mir ihr Job wieder ein. Vielleicht wollte ihre Arbeitgeberin kein Kind im Haus haben.
    »Für mich stand fest, dass es für sie das Beste wäre, während der Schulzeit ein Internat zu besuchen. Meine Arbeit ist – ich muss manchmal auch nachts arbeiten.« Sie klang verbittert. Bestimmt musste sie auf Mrs. Smirnovas Dinnerpartys Essen servieren, überlegte ich. Unter ihren Augen lagen, sorgfältig überschminkt, Schatten. Sofia arbeitete hart. Musste sie auch, um die Internatsgebühren zu bezahlen.
    Ihr Blick wanderte wieder zur Pappschachtel zurück. Sie hob eine Hand an ihren Mund, als wollte sie an ihren manikürten Fingernägeln kauen, merkte dann aber, was sie tat, und entfernte ihre Finger vom Mund. Die Antwort auf die Frage, warum Letchford ihre Wahl für Olivia gewesen war, war sie uns noch immer schuldig.
    »Ich muss sagen«, sagte mein Vater überaus warmherzig, »dass die Opfer, die Sie für Olivia auf sich nehmen, mich mit tiefer Bewunderung erfüllen.«
    Sie nickte knapp und kämpfte gegen Tränen an.
    »Vielleicht sollten wir uns darüber unterhalten, wie wir ihr das alles erklären können«, fuhr Dad fort. »Denn sie sollte erfahren, dass sie hier

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