Das geheime Bild
Burford, um in Buchläden und Antiquitätenläden zu stöbern?«
Noch vor sechs Monaten hätte mich das nicht angesprochen. »Auf jeden Fall«, erwiderte ich. »Aber warum Burford?«
»Jede Menge Läden. Und Tearooms. Ich habe im Netz nachgesehen.«
Ich warf einen Blick auf den eleganten Laptop. »Darf ich mal kurz?«
»Nur zu. Was ich herausgefunden habe, ist in einem Ordner gespeichert. Der Wasserkessel kocht schon.«
Ich fand den Ordner und ging die Antiquariate durch. Ich hatte meine E-Mails heute Nachmittag nicht eingesehen. Sonntagabend. Es bestand durchaus die Chance, dass … Aber wahrscheinlich sollte ich mir lieber keine allzu großen Hoffnungen machen. »Ist es okay für dich, wenn ich mal kurz meine E-Mails ansehe?«, rief ich.
»Tu dir keinen Zwang an.«
Nichts für mich. Ich war gleichermaßen erleichtert und enttäuscht. Simon trug das Tablett mit der Teekanne und den Tassen herein. Ich zeigte ihm die Liste der Buchläden, die ich gefunden hatte.
»Großartig. Ich hole nur noch das Spiel.«
Als er sich bückte, um die Backgammonschachtel aus dem Schrank unter seinem Fernseher hervorzuholen, klingelte mein Mobiltelefon. »Kannst du kommen und dich mit Tracey Johnson in der Küche unterhalten?«, bat mein Vater mich. »Ich weiß nicht genau, was sie für ein Problem hat, aber sie klingt besorgt. Ich würde selbst hingehen, aber ich muss Eltern anrufen.«
Den Sonntagabend nutzte Dad für Rundrufe bei den Eltern, die Zuspruch wegen der Examensnoten benötigten. Oder eine Warnung, dass ihre Sprösslinge Gefahr liefen, die Abschlussprüfung nicht zu schaffen oder von der Schule verwiesen zu werden. Offenbar gab es in jedem Jahr ein oder zwei Schüler, die man mit Alcopops hinter dem Kricketpavillon erwischte. Normalerweise wäre meine Mutter in die Küche gegangen, um mit Tracey zu sprechen. Haushaltsführung und Verköstigung waren ihre Domäne. Ich blinzelte gegen meine Tränen an.
Wenigstens traute Dad mir genug gesunden Menschenverstand zu, um dieses Problem zu lösen – ich sollte ihm für sein Vertrauen dankbar sein. Es zeigte mir, dass er mit meiner verlorenen Woche abgeschlossen hatte. Dennoch betrachtete ich das Teetablett und das Backgammonspiel mit einem Seufzer. »Ich bin in zehn Minuten zurück.« Ich zog meine Jacke an.
»Ich stülpe den Teewärmer drüber.« Immer hatte ich mich über Simons gehäkelten Teewärmer lustig gemacht und verdrehte auch jetzt die Augen, als er ihn über die Porzellankanne stülpte.
»Es wird nicht lange dauern«, sagte ich. »Ich muss nur mal kurz zu Tracey in die Küche.« Die Teekanne klapperte in Simons Händen. »Keine Sorge, es bleibt uns noch genug Zeit.«
Tracey Johnson war eine der Hilfsköchinnen. Sie war etwa so alt wie die ältesten Primaner, sah aber älter aus. Und sie war hübscher als die meisten von ihnen. Obwohl sie keinen Urlaub in der Sonne gemacht oder stundenlang gesunde Sportarten betrieben hatte, war ihre Haut rein und makellos. Ihre Augen waren stark geschminkt, und ihr Mund war für gewöhnlich missmutig nach unten gezogen. Meine Mutter erzählte mir einmal, Tracey habe mit dreizehn aufgrund ihrer Leistungen ein Stipendium für die Schule bekommen. »Dein Vater bot ihr ein voll finanziertes Stipendium an. Aber sie ging stattdessen auf die Highschool.« Mit sechzehn kam sie, um Teilzeit in der Küche zu arbeiten, während sie in der übrigen Zeit das Berufskolleg besuchte. Obwohl wir einen qualifizierten Koch beschäftigten, hatte Tracey in Letchford ein immer größeres Arbeitspensum übernommen.
Ich war gewohnt, sie in ihrer weißen Kochkleidung zu sehen, weshalb es mich überraschte, dass sie enge schwarze Jeans und eine Jerseytunika trug. Die Aura von Letchford erschwerte es, sich vorzustellen, dass die Leute hier auch noch eine Existenz außerhalb der Schule hatten. Es war, als lebten wir abgeschottet unter einer Glaskuppel, wo wir verdünnte Luft einatmeten. Gelegentlich lief ich an Sonntagen oder während der Ferien in der Stadt Tagesschülern über den Weg. In ihren eigenen Kleidern wurden sie zu anderen Persönlichkeiten als die Jungs und Mädchen, die ich während der Schulzeit unterrichtete.
Tracey schrak ein wenig zusammen, als sie mich sah. »Ich hatte nicht mit Ihnen gerechnet.« Sie war immer sehr geradeaus, wenn sie mich ansprach. Meinen Eltern gegenüber war sie immer sehr höflich, fast warmherzig gewesen. Irgendetwas an mir schien sie zu verunsichern. Vielleicht nahm sie es mir übel, dass ich meinen Job
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