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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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und meine komfortable Unterbringung meiner Familie verdankte. Oder sie wusste von meinem invaliden Ehemann. Ich war nicht in der Lage, einer grundlegend weiblichen Rolle nachzukommen: Ich konnte meinen Mann nicht pflegen.
    »Mein Vater ist mit Anrufen beschäftigt.«
    Sie legte eine Hand an ihren Hinterkopf und zog an ihren Haaren, die ordentlich zu einem Knoten aufgesteckt waren, bis die ganze Masse auf ihre Schultern herabfiel. Nun sah sie aus wie ein Mädchen aus einem Gemälde der Präraffaeliten. Wieder bewunderte ich Traceys glänzendes Haar und die feinen Gesichtszüge.
    »Was gibt es denn?«, fragte ich und klang dabei fast so kurz angebunden wie sie.
    »Es ist wieder der Backofen. Ein Wackelkontakt. Ständig wird der Stromkreis unterbrochen.«
    »Haben Sie den Elektriker bereits informiert?«
    »Er kann vor neun Uhr morgens nicht hier sein. Das bedeutet, es gibt kein warmes Frühstück.«
    »Was ist mit den Herdplatten?« Ich zeigte kopfnickend darauf.
    »Die sind am selben Stromkreis angeschlossen. Alles liegt darnieder.«
    »Können wir nicht diese tragbare Kochplatte hochbringen, die wir für die Sommerparty benutzen?«
    Sie nickte. »Dazu brauche ich aber den Kellerschlüssel.«
    Ich ging nach oben ins Büro meines Vaters. Dad telefonierte. Auf seinem Schreibtisch lag eine pummelige lange Form, zugedeckt mit einem Geschirrtuch. Die Reborn-Puppe. Unter dem weißen Tuch erinnerte sie noch viel mehr an eine kleine Leiche. Ich widerstand der Versuchung, das Geschirrtuch zu lüften und mich den blauen Augen auszusetzen. Es war schließlich nur Plastik und Emaillefarbe, sagte ich mir.
    »… wenn es noch mal vorkommt, kann ich nicht mehr so nachsichtig sein …«, sagte Dad am Telefon und sah mich mit hochgezogener Braue an. Ich machte eine Bewegung, als würde ich einen Schlüssel im Schloss drehen, und er zeigte auf seine oberste rechte Schublade. Als ich sie öffnete, blinkte mich etwas Metallisches an. Ein kleines Messer. Ich erkannte es als den Brieföffner, der in der Reborn-Puppe gesteckt hatte. Unter dem Messer lagen drei Goldmünzen in einer kleinen Schatulle mit einer Plexiglasabdeckung. Diese Münzen hatte Dad aus der Tschechoslowakei mitgebracht. Ich schloss die Schublade und ging mit den Schlüsseln in die Küche.
    »Das mit der Reborn-Puppe ist schon seltsam«, sagte Tracey, als ich ihr den Schlüsselbund aushändigte, als wüsste sie, was ich im Büro meines Vaters gesehen hatte. Sie klang nicht neugierig, eher nachdenklich. »Etwas Derartiges muss gut geplant sein.«
    »Das wird wohl auch der Fall sein.« Ich versuchte, meine Worte so unverbindlich wie möglich zu wählen.
    »Ich meine, man muss einen Zeitpunkt abpassen, um an Mr. Radcliffes Schrank zu kommen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er schließt die Tür ab, wenn er den Raum verlässt.«
    »Tut er das?« Ich dachte nach und erinnerte mich, dass er nach seinem Unterricht immer absperrte. Einige der Bücher und Papiere, die sich aufs Haus bezogen, waren wertvoll. Ich überlegte, woher Tracey wusste, dass er den Raum abschloss.
    Tracey spielte mit den Schlüsseln, die ich ihr gerade ausgehändigt hatte. »Das stimmt einen nachdenklich. Diese Puppen sind teuer.«
    »Sind sie das?« Sie schien mir die Rolle der unglücklichen Fragestellerin zugedacht zu haben.
    »Mehrere Hundert Pfund, nach allem, was ich gehört habe. Vor einer Weile lief darüber was im Fernsehen. Ich frage mich, wer dahintersteckt«, fuhr Tracey fort.
    Die Frage stand mir offenbar im Gesicht geschrieben. »Oftmals gibt man den Puppen die Züge von echten Babys. Vor allem, wenn ein Baby gestorben ist. Es ist eine Möglichkeit, sie in Erinnerung zu behalten.«
    Ich schluckte, bekam aber meinen Hals nicht frei. »Danke, dass Sie sich darum kümmern, Tracey. Bestellen Sie den Elektriker zum frühestmöglichen Termin.« Dabei hörte ich einen Anklang des autoritären Tonfalls meines Vaters in meiner Stimme.
    Es war Wind aufgekommen, der mir die Blätter um die Ohren wehte, als ich die Straße zu Simons Haus hinauflief. Wieder ging ein Jahr zu Ende. Mich fröstelte ein wenig in der kühlen Luft, und ich war froh, für den Rest des Abends Gesellschaft zu haben. Die Erwähnung der Puppe hatte mich irritiert. Nur ein Streich, sagte ich mir, alberne Teenager, bedeutungslos. Doch gleichzeitig wünschte ich mir, mein Vater hätte das verdammte Ding weggepackt.
    Die Kanne mit Lapsang Tee stand unter ihrer gehäkelten Wollhaube auf Simons Tisch. Er saß auf dem Sofa, den Laptop auf den

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