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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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Knien. Ich könnte ihn fragen, ob er es versäumt hatte, die Schranktür im Geschichtsraum abzuschließen. Doch die Frage schien nicht gestellt werden zu wollen. Simon klappte den Laptop zu. »Lass uns loslegen, der Abend ist schon fast vorbei.«
    Ich lächelte dünn und nahm Platz, um Backgammon zu spielen.

10
    A ls ich am Morgen zum Helfen hinüberging, wendete Tracey offenbar ganz gelassen geröstete Speckscheiben. Ein jüngeres Mädchen stand neben ihr und löffelte gebackene Bohnen auf die Teller. Mit einem Nicken auf ihre Helferin begrüßte Tracey mich. »Meine Cousine.«
    »Danke, dass Sie so rasch einspringen konnten.« Das Mädchen sah aus, als sollte es selbst noch zur Schule gehen.
    »Sie ist siebzehn«, kam Tracey meiner Frage zuvor. Ich musste an die Berufshaftpflichtversicherung denken, schob den Gedanken dann aber beiseite. Stattdessen griff ich nach einem gefüllten Teller.
    »Wo sind die Tabletts?«
    Tracey zeigte auf ein Regal und bekam vor Überraschung weiche Züge. Vermutlich war sie davon ausgegangen, dass ich es für unter meiner Würde hielt, in der Küche auszuhelfen. »Normalerweise rollen wir das Essen in Wärmewagen in den Saal.« Sie warf zwei Speckscheiben auf einen Teller. »Aber dafür ist heute Morgen keine Zeit. Jeder, der was Gekochtes möchte, bekommt Bohnen und Speck. Keine Auswahl heute.«
    Mein Vater kam durch den Saal, als ich mein voll beladenes Tablett hereintrug. Stirnrunzelnd musterte er Traceys Cousine. »Das Tablett ist doch viel zu schwer für dieses Mädchen. Aber ich werde keine Fragen stellen.« Er klang müde, viel zu müde für einen zeitigen Morgen zu Beginn des Schuljahres. »Solange das Frühstück zufriedenstellend ist.« Er zog einen Notizblock heraus, den er immer bei sich trug, und schrieb ein paar Worte in der schnörkeligen Handschrift, die verriet, dass er im Ausland aufgewachsen war.
    Nach dem Frühstück kehrte ich in meine Wohnung zurück, da ich die ersten beiden Schulstunden freihatte. Bevor ich unterrichten musste, konnte ich noch einen raschen Hundespaziergang einschieben. Es wurde von den Lehrern zwar erwartet, sich während ihrer Freistunden im Lehrerzimmer aufzuhalten, aber für gewöhnlich drückte man ein Auge zu. Der Anrufbeantworter blinkte. Hugh. Mein Herz raste. Eine Nachricht für mich. Ich drückte die Wiedergabetaste.
    »Meredith«, sagte die Stimme meiner Schwester. »Wir fanden keine Gelegenheit, am Wochenende miteinander zu sprechen. Aber ich habe über alles nachgedacht. Ich bin heute den ganzen Tag im Büro. Ruf mich an, wenn du eine Freistunde hast.«
    Es war bereits zehn nach acht. Meine Schwester saß jetzt bestimmt in ihrem schicken Innenstadtbüro gegenüber von St Paul’s in einem ihrer scharfen schwarzen Hosenanzüge am Schreibtisch vor dem eingeschalteten Laptop und einem mitgebrachten Espresso. Nichts Schaumiges und Milchiges für Clara. Ich wählte ihre Mobiltelefonnummer.
    »Danke, dass du mich zurückrufst.« Sie klang genauso, wie man sich das von einem Anwalt vorstellte. »Es geht um Dad, nun, eigentlich geht es um die Schule. Es kann nicht so weitergehen.« Genauso gut könnte sie über einen störrischen Klienten sprechen.
    »Was meinst du damit?«
    »Nun, es wird ihm langsam alles zu viel, oder? Selbst Marcus hat das so empfunden. Er wirkt sehr nervös.«
    »Es war ja auch eine anstrengende Woche.« Ich fragte mich, ob sie sich überhaupt vorstellen konnte, wie sehr uns diese ganze Puppensache aus der Bahn geworfen hatte, wie viel Zeit wir dafür aufwenden mussten und wie verstörend es gerade zu Beginn des Trimesters war, wenn sich alle noch in der neuen Umgebung zurechtfinden mussten.
    »Es ist mehr als das, Meredith. Es ist ihm nie leichtgefallen. Jedes Jahr wird es schwerer, die Schule zu finanzieren. Wir haben schon einiges reduziert, aber der Druck, ständig Entscheidungen treffen zu müssen, bleibt. Letchford ist nicht mehr die Schule, die sie einmal war.« Ihre Stimme wurde ruhiger. »Auch unabhängig von Mums Tod. Wobei wir erst nach und nach entdecken, wie viel sie geleistet hat.«
    Ich hatte es gewusst. Dad hatte es gewusst.
    »Es braucht Zeit, bis sich wieder alles eingespielt hat.« Das klang, als würde ich aus einer Selbsthilfebroschüre zitieren.
    »Ich spreche nicht von dem, was kurzzeitig nottut. Ich denke, dass Dad nicht endlos so weitermachen kann. Er ist bereits jetzt erschöpft, dabei haben wir noch nicht einmal die Hälfte des Trimesters hinter uns.«
    Mein Mund öffnete sich streitlustig.

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