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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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zu stecken, bis er zu uns nach Hause, nach Wiltshire, kommen konnte.
    »Er hat etwas Kluges«, hatte Hugh mir erklärt und mit dem Hund geprahlt, den wir in seinem Zwinger besuchten. »Sieh dir nur seine Kopfform an. Bestimmt stammt er von einem aristokratischen babylonischen Hund ab. Einem Palasthund oder so.«
    Ich gab mir alle Mühe, dieses Erbe in der freundlichen Promenadenmischung zu erkennen, die mit ihrem grau-weiß gefleckten Schwanz wedelte, als sie mich sah. »Wenn du das sagst.«
    Wir waren übereingekommen, dass ich auf der Abholspur vor dem Bahnhof im Auto auf ihn warten würde. Ich hielt mich am Lenkrad fest und spürte das Pulsieren des Blutes in meinem Körper. Ich rechnete fest damit, dass Hugh sich nach wie vor wie der Mann bewegte, den ich vor Monaten gesehen hatte: langsam, mit offensichtlichen Schmerzen; aber er war am Wagen und öffnete die Beifahrertür, bevor ich überhaupt mitbekam, dass er über den Bahnsteig gekommen war. Er trug Jeans und einen Pullover mit V-Ausschnitt, weder Uniform noch die Trainingshose der Rehastation. Mir fiel auf, dass ein paar junge Frauen, die an der Bushaltestelle Schlange standen, zu ihm herüberschielten. Mein Besitzdenken machte sich mit einem Prickeln bemerkbar, obwohl ich mir gar nicht sicher war, ob ich überhaupt noch das Recht hatte, so zu empfinden. »Du hast mich erschreckt«, sagte ich, um meine Unbeholfenheit zu kaschieren.
    »Sorry.« Er war mit dem Hund beschäftigt, dessen Schwanz sich wie eine Windmühle bewegte. Hugh versuchte, ihn auf den Rücksitz zu befördern, damit er einsteigen konnte, aber Samson war nicht willens, sich darauf einzulassen.
    »Du wirst ihn wohl auf den Schoß nehmen müssen«, sagte ich schließlich. Ich fühlte mich überflüssig. Der Hund hatte so offensichtlich nur noch Augen für Hugh, und Hugh hatte mit mir noch kaum ein Wort gewechselt. Aber ich hatte ihn auch nicht gerade besonders warmherzig begrüßt.
    »Das ist schon okay . « Er bückte sich, um seinen Kopf in Höhe des Hundes zu bringen und sanft auf ihn einzureden. Mir fiel auf, dass an Hughs Schädel, dort, wo das Schrapnell ihn getroffen hatte, wieder Haare nachgewachsen waren. Ich wagte es nicht, meinen Blick hinunter zu seinen Beinen wandern zu lassen, aber er schien ohne die geringste Unbeholfenheit in den Wagen zu steigen. »Ich habe geübt«, sagte er. »So oft ich kann, stehe ich auf und setze mich. Dieses Auto ist tiefer als das, das ich mir bald kaufen werde. Ich habe mich für einen kleinen Jeep entschieden, weil der Abstand der Sitze zum Boden dort größer ist.«
    »Toll, dass du bald wieder selbst fahren kannst.«
    »Den Mini Cooper musste ich verkaufen.«
    Ich wusste, wie viel ihm dieses Auto bedeutet hatte.
    »Aber es ist großartig, wieder einen fahrbaren Untersatz zu haben. Fürs Erste nur für Kurzstrecken. Für den Fall, dass ich Migräne bekomme.« Er hob seine Finger seitlich an den Kopf.
    Ich musste mir auf die Zunge beißen, um keine Fragen zu stellen. Wo er wohnte. Welche Berufspläne er für die Zukunft verfolgte. Ob er vorhatte, sich zivilisiert mit mir darüber zu unterhalten, wie wir die Ehe zu einem Ende bringen konnten. Aber ich hielt meine Augen auf die Straße gerichtet. Wir schwiegen. Außerhalb des Stoßverkehrs brauchte man nur zwanzig Minuten bis nach Letchford, doch bereits jetzt kam es mir vor wie die längste Reise, die ich je gemacht hatte.
    »Es ist eine Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal hier war«, sagte Hugh schließlich und hob seinen Kopf vom Hund. »Vor Afghanistan.«
    Vor Afghanistan. VA . Unser neues Zeitmaß. »Ist immer noch fast genauso, wie es früher war. Abgesehen von ein paar interessanten Entwicklungen.« Ich erzählte ihm, wie ich die Reborn-Puppe zur Adresse eines Elternteils zurückverfolgt hatte, der allerdings abstritt, darüber Bescheid zu wissen.
    »So was Verrücktes«, lautete sein ganzer Kommentar.
    Ich bog von der Hauptstraße ab und in die Auffahrt ein. »Sieht gut aus hier«, bemerkte er. Und das tat es. Die Färbung der die Einfahrt säumenden Bäume hatte ihren Höhepunkt zwar schon überschritten, aber es hingen noch genügend goldene und rote Blätter daran, um Eindruck zu machen. »Das haben wir draußen in Helmand so sehr vermisst. Die Farben, das weiche Licht. Aber manchmal, in der Morgendämmerung und bei Sonnenuntergang, sieht man auch dort ein ganz wunderbares Licht.«
    »Wenn man es in den Fernsehnachrichten sieht, wirkt Afghanistan monochrom.« Graubraun, trocken, staubig.

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