Das geheime Bild
gezeigt hatte, versuchte aber, mir das nicht anmerken zu lassen. Was mir offenbar nicht ganz gelang. »Es gibt so vieles, worüber ich mit dir sprechen muss.«
»Du brauchst es aber nicht.« Ich hatte Angst, obwohl ich so lange auf diesen Moment gewartet hatte. Etwas Bitteres tränkte meine Geschmacksknospen. Kaffee könnte ich jetzt bestimmt nicht trinken.
»Ich möchte es aber.«
»Ich denke, dafür werde ich mich erst einmal hinsetzen müssen.«
Er grinste. Wir saßen einander im Wohnzimmer gegenüber. Ich fragte mich, ob ihm aufgefallen war, wie sparsam ich es möbliert hatte, als wäre ich mir nicht sicher, wie lange ich bleiben würde. »Ich habe schreckliche Dinge zu dir gesagt«, sagte er. »Es tut mir leid. Du bist die Person, die das am allerwenigsten verdient hat.« Aber er nahm das, was er gesagt hatte, nicht zurück. »Als ich hörte, dass du den Stützpunkt verlassen und deinen alten Job aufgegeben hattest, um hierher zurückzukommen, fühlte ich mich … nun, ich war erschüttert, dass ich das bei dir ausgelöst hatte. Es gefiel dir auf dieser Schule. Du kamst dort so gut zurecht.«
»Ich habe nichts dagegen, hier zu sein.«
»Natürlich nicht. Aber du wärst nicht hierher zurückgekommen, wenn das alles nicht passiert wäre.«
»Ein Schulwechsel war für mich vermutlich ohnehin fällig. Und als Mum starb, war es nur gut, dass ich hier war.«
»Ich kann noch immer nicht glauben, dass sie nicht mehr ist.« Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht. Aber immerhin umkreisten wir das Thema. Ich nahm mir vor, es ihm nicht allzu leicht zu machen, außerdem hatte ich das Gefühl, dass er das auch nicht erwartete. Er musste sagen, was er sich überlegt hatte, ohne dass ich ihn von seinem Kurs abbrachte.
»Ich habe dir Kummer bereitet, und das tut mir wahrhaft leid.« Er hielt inne. »Aber ich weiß einfach nicht, wie wir weitermachen sollen. Ich weiß nicht, was du tun möchtest. Oder auch was ich tun möchte. Ich habe das Gefühl, nicht mehr der Mensch zu sein, der ich vor der Bombenexplosion war. Sie hat mich verändert. Ich möchte mir Zeit lassen, um mich wieder kennenzulernen. Das ist sehr selbstsüchtig von mir, ich weiß. Man hat ein paar der Medikamente abgesetzt, die ich anfangs genommen habe. Dadurch bin ich ruhiger geworden, aber ganz in Ordnung bin ich noch immer nicht.«
»Ich möchte dich nicht daran hindern, das zu tun, was du tun möchtest.« Meine Stimme klang aufrichtig. »Ich möchte dir helfen.«
»Ich habe erlebt, was mit einigen Frauen von verletzten Soldaten passiert ist. Es ist, als hätte man für ein Kind zu sorgen. Heute ist ein guter Tag. Nicht alle Tage sind so. Mein Bein bereitet mir noch immer Schmerzen. In den meisten Nächten finde ich kaum Schlaf. Tagsüber konzentrieren sich meine Gedanken darauf, das zu tun, was nötig ist, um mich damit aufrecht zu halten.« Dabei hob er sein Bein ein wenig und schnitt eine Grimasse. »Du hast keine Ahnung, wie viele Physiotherapiesitzungen und wie viele Ruhetage mich diese Reise gekostet hat.«
»Willst du damit sagen«, ich holte tief Luft, »dass es aus ist?« Am besten kam ich ohne Umschweife auf den Punkt. Es brachte uns nicht weiter, wenn es wie eine Bedrohung über uns hing.
Er zögerte. »Das will ich damit nicht sagen. Aber ich kann doch nicht wieder weggehen und dich in der Ungewissheit zurücklassen. Das ist nicht fair. Ich denke, du solltest entscheiden, was du tun möchtest, unabhängig davon, was ich gern möchte oder nicht.« Seine Stimme wurde zärtlich. »Du bist doch erst neunundzwanzig. Zu jung, um in der Luft zu hängen.«
»Aber du«, ich hatte Mühe, meine Stimme zu kontrollieren, »liebst mich noch?«
Er ließ sich wieder Zeit. »Als ich auf dem Weg hierher war, redete ich mir ein, dies sei nicht mehr der Fall. Es war das, was ich mir manchmal auch in der Rehaeinrichtung sagte.«
Ich versuchte mit aller Macht, ihn teilnahmslos anzusehen.
»Aber sobald ich dich im Wagen auf mich warten sah, zusammen mit Samson, fühlte ich mich wieder zurückversetzt in die Zeiten, als du darauf gewartet hast, dass ich nach Hause kam, und als ich mich freute, dich zu sehen. Und mir fiel wieder ein, dass ich, kurz bevor ich das Bewusstsein verlor, an dich gedacht habe. Diese Gefühle haben mich überrascht. Der Coach, bei dem ich war, sagte mir, dass genau das passieren könne, aber ich glaubte ihm nicht.«
Ein Coach. Gott sei Dank hatte das jemand übernommen. »Ich war ebenfalls überrascht, was ich empfand, als ich
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