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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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gespürt. Offenbar war er sich nach jener Woche, in der ich durchgedreht war, nicht mehr sicher, ob er sich auf mich verlassen konnte. Aber jetzt kehrte der sanfte Vater, den ich in Erinnerung hatte, zu mir zurück.
    Ich dachte, die Vergangenheit würde mich wachhalten, während mein Gehirn versuchte, die Fäden zusammenzuführen. Damals in den Achtzigern war etwas in Letchford passiert. Ich war dort gewesen, als es geschah, und es hatte etwas mit meinem Vater und mit John Andrews zu tun. Ich hatte damit gerechnet, dass mich die Tschechoslowakei aufwühlen würde, aber allem Anschein nach stand das alte Haus, das wir verlassen hatten, im Mittelpunkt des Rätsels.
    Unfähig, die Verbindung herzustellen, gab mein Geist den Versuch schließlich auf. Ich schlief lange und tief und wurde wach, als ich tschechische Laute von Leuten hörte, die sich unter meinem Fenster im Hof unterhielten. Dass ich kein Wort verstand, empfand ich merkwürdigerweise als sehr beruhigend. Ich brauchte keine Information zu verarbeiten oder peinlich berührt zu sein, weil ich lauschte. Wir hatten ausgemacht, uns um halb acht zum Frühstück zu treffen. Kein Grund zur Eile, es musste kein Hund gefüttert und ausgeführt werden. Ich ließ mir Zeit unter der heißen Dusche, bevor ich über die Holztreppe in den sonnigen Raum hinunterging, wo warme Brötchen und Kaffee serviert wurden. Dads Augen strahlten an diesem Morgen, und sein Gesichtsausdruck war ähnlich erwartungsvoll wie bei einem Erfolg versprechenden Heimspiel der Firsts.
    Er hatte eine Straßenkarte neben sich auf dem Tisch ausgebreitet. »Ich würde gern dorthin fahren.« Dabei zeigte er auf ein Dorf. »Dort stand das Haus der Familie. Gut möglich, dass nichts mehr davon zu sehen ist.«
    Ich verteilte Kirschmarmelade auf meinem Brötchen. »Mich wundert nur, dass du nicht schon eher das Bedürfnis hattest, das herauszufinden.«
    »Die Zeit war immer ein Problem.« Er fing meinen Blick ein und lächelte betrübt. »Nein, du hast recht. Ich hätte schon viel eher zurückkommen können. Aber meine Eltern sind beide tot.«
    »Und sonst gibt es niemanden, den du gern wiedergesehen hättest?«
    Er starrte auf das angebissene Brötchen auf seinem Teller.
    »Nein.« Die Bedienung brachte eine Kanne frischen Kaffees. Sie betrachtete lächelnd die Karte und fragte ihn etwas.
    »Sie wollte wissen, ob ich den See suche«, sagte er. »Der ist offensichtlich im Sommer eine der Haupttouristenattraktionen hier.«
    Ich wartete, ob er wieder auf das Mädchen in dem Gemälde zurückkommen würde. Er legte seine Serviette auf den Tisch. »Bist du in zwanzig Minuten bereit zur Abfahrt?«
    Wir entfernten uns vom Gasthof, kilometerweit wurden wir von Wald begleitet. Seit einiger Zeit schon hatten wir keine Häuser mehr gesehen. Die Gegend hier schien noch immer so bevölkerungsarm zu sein wie damals, als mein Vater wegging.
    Ich warf einen Blick auf die Straßenkarte. »Nach Bayern ist es von hier gar nicht weit, nicht wahr?« Gestern waren wir in Prag gelandet und zwei Stunden gefahren, bis wir das Hotel erreichten. Mir war nicht klar gewesen, wie nah wir an Deutschland waren.
    »Oder nach Österreich. Wir befinden uns hier im Herzen Europas. Weiter im Westen liegt Wien.« Als er dies sagte, klang er selbst gleich viel europäischer, legte ein Stück englischen Gentleman und Schuldirektor ab und wurde wieder Kontinentaleuropäer.
    »Wir hatten damals wärmeres Wetter.«
    »Wir?«
    »Ich kam von Prag mit … einer Freundin hierher.« Dabei hielt er das Lenkrad so fest umklammert, dass ich das Weiße seiner Knöchel sah.
    Eine Freundin. Ich sagte nichts und wartete.

29
    Karel
    S agen müsste er es ihr ohnehin. Natürlich, was auch sonst. Ansonsten machte es keinen Sinn, sie auf diese Pilgerreise mitzuschleppen. Sie hatte in ihrem Leben weiß Gott genug um die Ohren mit Hugh und nach dem Verlust ihrer Mutter.
    Ihre Mutter. Seine Frau, der er nie alles erzählt hatte, obwohl sie sich vermutlich einiges zusammengereimt hatte.
    »Ich brach mit einer Freundin auf. Ihr Name war Hana.«
    Meredith sagte nichts, spürte aber, dass sich ihre Schultern neben ihm auf dem Beifahrersitz verhärteten.
    »Sie hieß Hana.« Er wiederholte den Namen, weil es sich richtig anfühlte, ihn nach so langer Zeit wieder und wieder laut auszusprechen.
    »Ihr seid zusammen weggelaufen?«
    »Ich denke, wir fanden diese Vorstellung romantisch. Obwohl wir eigentlich gar nicht laufen mussten. Wir liehen uns Fahrräder, um zur Grenze zu

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