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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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erzählt. »Er ist der perfekte englische Gentleman«, hatte Papa gesagt. Karel wusste, dass John noch immer in einem Dorf vor den Toren der Stadt Abingdon lebte, weil er Mama irgendwann im Sommer eine Postkarte geschickt hatte mit der Einladung, ihn zusammen mit Karel zu besuchen, jetzt, da die Lage in der Tschechoslowakei einfacher geworden sei.
    Als er von zu Hause aufgebrochen war, hatte er Johns Adresse mitgenommen. Karel klebte die Briefmarken auf den Umschlag und vergewisserte sich, dass die Absenderadresse deutlich geschrieben war, sodass John ihm antworten konnte.
    Ihm war klar, dass es Tage, vielleicht sogar Wochen dauern würde, bis er etwas von ihm hörte. Sofern er überhaupt etwas hörte. Den Rest des Nachmittags brachte er damit zu, langsam durch den Englischen Garten zu schlendern, und ermahnte sich, keine allzu großen Hoffnungen zu hegen. Sie kam nicht. Wenn, dann wäre sie längst hier. Aber dennoch stockte ihm jedes Mal der Atem, wenn er ein schlankes Mädchen mit kastanienbraunen Haaren durch die fallenden Blätter ausschreiten sah.
    Am Abend kehrte er in sein Auffanglager zurück, das man für die Tschechen auf einem alten Kasernengelände eingerichtet hatte, und setzte sich in sein Zelt. Dort konnte ihn nichts mehr ablenken. Jedes Mal, wenn eine neue Gruppe eintraf, musterte er sie eingehend. Aber inzwischen schafften es nicht mehr viele, über die Grenze zu kommen. »Sie sind gerade noch rechtzeitig gegangen«, erklärte ihm ein deutscher Beamter. »Sind Sie auf der Suche nach jemand Bestimmtem?«
    »Nein.«
    Der Beamte sah ihn verdutzt an. Karel hatte wohl zu heftig reagiert.
    Er warf einen forschenden Blick auf die Leute, die in Gruppen zusammensaßen oder -standen und sich leise unterhielten. Zeichne sie , schrie etwas in ihm. Zeichne dieses Zelt und die Leute, die Schach und Karten spielen. Halte die Emotionen auf ihren Gesichtern fest. Aber er wollte seinen Stift nicht herausholen. Er fragte sich, ob er jemals wieder zeichnen oder malen wollte.
    Karel hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die Bibliothek zu besuchen und sich dort mit einer Times und einem Wörterbuch hinzusetzen und die Synapsen seines Gehirns darauf zu trainieren, die neue Sprache zu akzeptieren. Er wollte diese Sprache einmal so gut sprechen, dass die Leute überrascht wären zu erfahren, dass er sie nicht schon von Geburt an sprach. Er würde alles ausmerzen, was ihn mit dem Land verband, das er verlassen hatte.
    Im Flüchtlingslager befragten sie ihn erneut und boten ihm an, dauerhaft in München zu bleiben. Er könnte an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste studieren. München war eine gemütliche Stadt und von Böhmen nicht weit entfernt. Wenn sich die Aufregung gelegt hatte, könnte er besuchsweise vielleicht sogar wieder nach Hause fahren. Die Frau mit der Hornbrille schien dies für durchaus möglich zu halten. Aber er wartete auf einen Brief aus Abingdon in England. Ein ganz kleiner Teil von ihm wartete auch immer noch auf Hana, aber nur, weil er sich nicht dazu durchringen konnte, sie aufzugeben und loszulassen.
    Die Nächte wurden kälter, und er wünschte, er hätte noch den Pullover, den seine Mutter für ihn gestrickt hatte. Abend für Abend wickelte er sich in seinen Schlafsack und legte obendrauf seine Jacke, doch die Kälte drang dennoch ein. Er war froh darum. Wenn er fror, war er abgelenkt. Indem er dagegen ankämpfte, blieb ihm keine Energie mehr, etwas zu bereuen. Oder etwas zu hoffen. Vergiss sie . Eines Nachts drehten seine kalten Finger an den Knöpfen seiner Jacke. Ihr Stoffbezug war dick, viel dicker, als er ihn in Erinnerung hatte. An seinem letzten Abend hatte seine Mutter ihm seine Jacke weggenommen.
    »Ich möchte sie nur noch einmal bügeln«, hatte sie gesagt. Er hatte für ihre Betulichkeit nur Spott übriggehabt. Die Knöpfe waren vor diesem Abend nicht so klobig gewesen. Seitdem passten sie nicht mehr durchs Knopfloch. Er zog an einem. Sie hatte sie fest angenäht. Erst nach einigen Minuten gelang es ihm, einen davon abzureißen. Er löste den Stoff vom Boden. Zwischen den Stofflagen verbarg sich eine alte Goldmünze mit dem Kopf eines Mannes mittleren Alters darauf. Eine österreichische Krone von 1915. Er zog den nächsten Knopf ab und den nächsten. Drei Goldstücke. Vermutlich hatten sie ihrem Vater gehört, aus der Zeit, als ihr Teil der Tschechoslowakei zu Österreich gehört hatte. Offenbar hatte sie diese während des Krieges und auch dann in den schlimmen Jahren, als

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