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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Labyrinth, das zum Versteck des großen Unbekannten führte, dem Ungeheuer in seinem Bau. Nichts war spannender als Teil dieser Suche zu sein, sie war greifbar, erlebbar im Gegensatz zur üblichen Polizeiarbeit. Wenn die Hunde irgendwann vor einem bestimmten Haus verharrten – bellen würden sie nicht, dafür waren sie zu gut abgerichtet –, stände die Suche kurz vor dem Abschluss.
    Auch Heide setzte darauf. Die Vernehmung der beiden Männer, die das Baby gefunden hatten, war ohne Ergebnis verlaufen. Der ältere der beiden hatte seine Homosexualität zunächst verheimlicht, dann aber zugegeben, dass der nächtliche Ausflug andere Gründe gehabt hatte als »mal Luft zu schnappen«. Die Entdeckung der Tasche im Mondlicht sei reiner Zufall gewesen. Früher oder später wäre sie jedoch jemandem aufgefallen, das Niederländer Ufer war bei Joggern und Spaziergängern beliebt.
    Höttges’ Liste der Babys, die in den letzten Wochen das Licht der Welt erblickt hatten, war ellenlang. Köln verzeichnete etwa 30 Geburten am Tag. Es würde lange dauern, alle Eltern zu überprüfen. Doch mit Hilfe der Hunde ließ sich dieser Kreis vielleicht erheblich einengen.
    An der Einmündung zur Xantener Straße schlossen sie zu Balu und seinem Herrchen auf. Der Retriever beschnüffelte gerade eine Bordsteinkante.
    »Wen sucht er jetzt eigentlich?«, wollte Heide wissen.
    »Immer noch denjenigen, der die Tasche am Niederländer Ufer abgelegt hat.« Der Hundeführer wies auf die Gehwegplatten. »Vermutlich ist er in der Mitte des Bürgersteigs gegangen, wir nennen das die ›gelaufene Spur‹.«
    »Die Fährte.«
    »Sohlenabdrücke, Abrieb und dergleichen, davon ist jetzt natürlich nichts mehr übrig. Aber parallel zur Fährte hat der Täter Hautschuppen verloren. Das ist bei jedem Menschen so, winzige Partikel lösen sich und driften von der gelaufenen Spur je nach Windrichtung ab. Das ist sein Individualgeruch, den hat Balu in der Nase.«
    »Vielleicht gibt es eine zweite Zielperson«, sagte Heide. »Die im Botanischen Garten die Tasche ins Gebüsch geworfen hat.«
    »Hab ich mir auch schon überlegt. Das Problem ist nur, dass sich von dieser Person keine Geruchsspur isolieren lässt, mit der die Hunde etwas anfangen können. Den Weg im Botanischen Garten benutzen viele Leute. Und an der Tasche finden die Hunde nichts, was zu einem zweiten Individualgeruch auf dem Boden passt.«
    »Im Klartext?«
    »Ich bin schon froh, dass wir eine Spur haben, sogar eine relativ deutliche. So eine Duftspur hält sich etwa 36 Stunden. Mehr können wir nicht erwarten.«
    »Dann machen wir das Beste daraus.«
    Sie erreichten einen Fußgängerüberweg an der Amsterdamer Straße. Ein Linienbus stand verlassen an einer Haltestelle, der Verkehr wurde weiträumig umgeleitet. Es wirkte so, als fände irgendwo in Köln eine Großdemonstration statt.
    Balu überquerte zügig die Fahrspuren und hielt nur an den Stellen inne, wo die Reifen der Autos jeden menschlichen Geruch getilgt hatten.
    »Wir kommen den Kleingärten am Nordpark immer näher«, sagte Höttges. »Ist Ihnen das schon aufgefallen?«
    »Das Kind starb ungefähr vor zwei Tagen. Wie Otto Wintrich.« Heide ging mit gesenktem Kopf weiter.
    »Seltsame Übereinstimmung.«
    »Jeder Mord ist seltsam.«
    »Und wenn es einen Zusammenhang gibt?«
    »Das würde erklären, warum Raupach mit seinem Fall nicht weiterkommt.«
    Erklärungen. Die waren Mangelware, als Balu tatsächlich in den Nordpark einbog und auf den Eingang zur Heckenrose zusteuerte. Bis zur Parzelle Nummer 88 waren es noch gut zweihundert Meter.
    Heide wies die Kollegen von der Bereitschaftspolizei an, das Gelände abzuriegeln, und forderte Verstärkung an, zur Sicherheit auch ein paar Krankenwagen. Die Schaulustigen protestierten lautstark, wie ein Lynchmob, dem man den Zutritt zum Richtplatz verweigerte. Die BePos hatten alle Hände voll zu tun, zückten ihre Gummiknüppel und setzten sie auch ein, als ein paar junge Männer den Kordon durchbrachen, hungrig nach einer Keilerei. Erste Schmerzensschreie. Dresen drohte per Megaphon mit verschärften Maßnahmen.
    »Vielleicht ging es bei dem Streit in der Gartenlaube gar nicht um Drogen oder irgendwelche Feindschaften, sondern um die Tasche mit dem Baby.« Höttges sprach aus, was immer wahrscheinlicher wurde.
    »Um die Verschleierung eines Kindesmords«, ergänzte seine Vorgesetzte.
    Der Pavillonpilz lag direkt vor ihnen. Was für ein hässliches Ding, dachte Heide. Bei Tageslicht würde sie

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