Das geheime Kind
hier mit niemandem Liebespaar spielen. Mit Raupach schon gar nicht.
Balu schnüffelte im Halbkreis. Dann zog er sein Herrchen mit aller Kraft ins Gestrüpp.
»Was ist los?«, wunderte sich Heide. »Zur Heckenrose geht’s da lang.«
»Wenn er so drauf ist, liegt er todsicher richtig«, sagte der Hundeführer. »An windgeschützten Stellen hält sich die Duftspur länger.«
Hinter einem ausladenden Rhododendron blieb Balu stehen, hob den Vorderlauf und winkelte ihn an. So hatte er es gelernt. Abstand halten zum Fundort, mit der Schnauze stumm anschlagen. Eine junge Buche stand nahebei.
Der Hundeführer war Fährtenleser genug, um die niedergedrückten Grashalme zu deuten. »Hier hat sich die Zielperson hingekniet, über längere Zeit. Scheint so, als habe unser Mann hier gewartet.«
Heide schaute aus einer Entfernung von mehreren Metern zu und tastete unwillkürlich nach ihrer Pistole. »Wann war das?« Genau in diese Richtung hatte sie vor zwölf, nein, vor zehn Stunden Schüsse abgegeben.
»Ist ziemlich frisch. Könnte erst vergangene Nacht gewesen sein.« Er untersuchte die Stelle eingehend, die Farbe des Rasens. Ging ein paar Schritte weiter. Ließ Balu erneut schnüffeln. »Hier sind die Abdrücke ein bisschen älter. Vielleicht kommt jemand öfter her. Um sich zu verstecken.«
»Klassisches Schema«, sagte Höttges. »Die Zielperson war in der Tatnacht hier. Und gestern kehrte sie an den Ort des Verbrechens zurück.«
»In die Nähe des Tatorts«, berichtigte ihn Heide. »Die Heckenrose ist ein paar Steinwürfe weit weg.«
»Und was hatte der Kerl dann hier verloren?«
Einsame Kommissare beim Schmusen stören, dachte Heide. »Ist da irgendwo Blut?«
»Nein, das hätte Balu sofort gefunden«, erwiderte der Hundeführer.
Effie stieß auf einen brauchbaren Abdruck eines Treckingstiefels, den sie als unvollständiges Fragment schon vom Niederländer Ufer kannte. Mit den Schuhspuren in der Heckenrose stimme er nicht überein, erklärte sie Heide, das könne sie mit Sicherheit sagen. Außerdem zeigten alle Abdrücke das gleiche Profilmuster, die frischen wie die etwas älteren.
Währenddessen ließen die Hundeführer ihre Tiere erneut an der Sporttasche schnuppern. Die BePos schwärmten aus, weil sich der Nordpark schwer sichern ließ und einige Störer versuchten, den Kordon zu umgehen.
»Was jetzt?«, fragte Heide. »Hier ist doch nicht Endstation. Wo kam die Zielperson her?«
Balu nahm die Spur wieder auf. Er führte die Ermittler am Pavillonpilz vorbei, unter die Bäume, die den Nordpark von den Kleingärten trennten, und dann geradewegs zur Parzelle Nummer 88. Am Zaun des Grundstücks machte er Sitz und wollte partout nicht weitergehen.
»Hier ist Endstation«, sagte der Hundeführer. »Frau Bongartz hat recht. Die Zielperson hat die Laube nicht betreten.«
Sondern beobachtet, was sich darin zutrug, vermutete Heide, über den Zaun hinweg, vielleicht auch gestern, als sie mit Raupach die Erschütterungen des Daseins durchgegangen war.
Die anderen Hunde drängten vorbei und schnüffelten sich systematisch zum Kürbisbeet durch. Nach kurzer Diskussion kamen alle Spurenexperten überein, dass die Sporttasche mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Gartenerde gelegen und danach gereinigt worden war. Jemand hatte vorgehabt, die Tasche zu vergraben, in der Nacht, als Wintrich umgebracht wurde. Es musste einen Zusammenhang geben, so überraschend er auch erschien. Unklar blieb, ob das Baby zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hatte. Heide gab Raupach alles per Handy durch.
Auf Anordnung seiner Vorgesetzten ging Höttges zurück zum Pavillonpilz, um sich ein Bild von dem immer geräuschvolleren Tumult zu machen. Im Nordpark war inzwischen der Teufel los. Eine Gruppe von Randalierern hatte begonnen, die Polizisten mit leeren Bierflaschen und Pflastersteinen zu bewerfen. Unmöglich zu sagen, was sie antrieb, fand Höttges. Schiere Aggression? Empörung über den Kindsmord, dessen Aufklärung ihnen vorenthalten wurde? Oder eine Reaktion auf die Gewalt, welche die Staatsmacht ohne viel Federlesens anwandte, ein dumpfes Dagegenstemmen, wie es bei Menschenmengen häufig zu beobachten war?
Dresen verlor die Nerven. Er ließ Tränengas abfeuern.
»Sind Sie verrückt?«, schrie Heide in ihr Funkgerät, als sie den hohlen Klang explodierender Patronen hörte. Die Hundeführer fluchten und stülpten ihren Tieren spezielle Maulkörbe über, um die sensiblen Schnauzen vor dem Reizstoff zu schützen.
Zu spät. Es knallte
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