Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
Stuhl schmoren, und ich möchte dabei sein und applaudieren.” Die meisten Zuschauer schienen ähnlicher Meinung zu sein. Sie wollten Blut sehen.
In der Nacht vor Verkündung des Strafmaßes konnte Eve nicht schlafen. Sie lauschte Jacks leisem, gleichmäßigem Schnarchen und fragte sich, ob sie sich am nächsten Tag wieder krankmelden sollte oder nicht. Sie konnte auch arbeiten gehen, einfach vergessen, dass sie Tim kannte. Vergessen, dass sie irgendetwas mit der Geschichte zu tun hatte. Vergessen, dass er keinen Mord begangen hatte und sie der einzige noch lebende Mensch war, der das bezeugen konnte. Die ganze Zeit hatte sie noch auf ein Wunder gewartet. Auf etwas, das berechtigten Zweifel bei den Geschworenen aufkommen lassen würde. Aber das war nicht geschehen.
Für Oktober war es ziemlich warm. Sie stieg aus dem Bett, zog den Morgenmantel an und humpelte in Pantoffeln aus dem Haus in den Garten. Dort setzte sie sich auf ihre Bank. Das Mondlicht verlieh den Bäumen und Sträuchern etwas Unheimliches und Beängstigendes – passend zu ihren düsteren Gedanken.
Sie lehnte sich zurück, blickte in den Nachthimmel und dachte: Ich will das alles nicht aufgeben. Ich möchte in meinem kleinen Garten sitzen und die milde Luft auf meiner Haut spüren und in den sternenübersäten Himmel schauen.
Und was war mit Cory? Was würde geschehen, wenn sie die Wahrheit erfuhr? Eve schluchzte auf. Cory würde daran zugrunde gehen und Eve würde das Wenige, was von ihrer Beziehung übrig war, auch noch verlieren.
Dann dachte sie daran, was Genevieve verloren hatte, was ihre ganze Familie verloren hatte. Und was Tim, so schuldig er sich auch gemacht hatte, verlieren würde wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen hatte.
Und ihre Verbrechen? Sie begann, sie leise aufzuzählen. Sie hatte bei der Entführung von Genevieve Russell geholfen, dann Genevieves Kind entführt und ihre Identität geändert. Und vermutlich hatte sie noch eine Menge kleinerer Gesetze gebrochen – doch das schlimmste Verbrechen wäre, einen Mann für etwas bezahlen zu lassen, das er nicht getan hatte.
“Eve?”
Jack stand auf der kleinen Terrasse, dann ging er auf sie zu und legte eine Hand auf ihre Schulter. “Komm wieder ins Haus, Eve”, sagte er in einem Ton, als hätte sie vor, von einer Brücke zu springen.
“Mir geht’s gut.” Sie lächelte ihn zum Beweis an. “Ich konnte nur nicht schlafen, und es ist so eine herrliche Nacht. Also wollte ich ein wenig hier draußen sitzen.”
“Bitte komm wieder mit rein, Liebling. Ich möchte mit dir reden.”
Sein Ton ließ keine Widerrede zu. Sie stand auf, ging mit ihm ins Haus und setzte sich auf den Küchenstuhl, den er ihr hinschob.
“Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe”, sagte sie.
“Du hast mich nicht geweckt. Ich bin einfach so aufgewacht, und als ich sah, dass du nicht im Bett bist, habe ich dich gesucht. Ich mache mir Sorgen, Evie. Ich möchte, dass du eine Therapie machst.”
“Ich brauche keine …”
“Lass mich ausreden. Dru und ich sind einer Meinung.”
Die Vorstellung, dass Jack und Dru sich über ihre mentale Gesundheit unterhalten hatten, erschütterte sie.
“Wir beide haben das Gefühl, dass dieser Rückfall, was die Arthritis betrifft, dich sehr belastet.”
Oh nein. Sie hatte sein Mitgefühl wirklich nicht verdient. Tränen stiegen ihr in die Augen.
“Ist schon gut.” Er rückte mit seinem Stuhl näher, um sie in den Arm nehmen zu können. “Ich verstehe das, Liebling. Gesundheitlich ging es dir jetzt so lange gut. Und dann dieser Rückfall, plötzlich musstest du dir wieder eingestehen, dass du noch immer krank bist. Ich weiß, wie schrecklich es für dich war, wieder den Motorroller benutzen zu müssen. Ich weiß, wie sehr du es hasst, wenn jeder dich fragt, wie es dir geht.”
Sie schmiegte ihre Stirn an seine Schulter.
“Ich habe die ganze Zeit gewartet, dass du selbst beschließt, eine Therapie zu machen.” Er strich ihr über den Rücken. “Das hast du doch früher auch gemacht. Und dann fiel mir wieder ein, dass die Frau, zu der du gegangen bist – wie hieß sie gleich? Janet?”
“Ja”, wisperte Eve.
“Mir fiel ein, dass sie weggezogen ist. Und vielleicht weißt du jetzt einfach nicht, zu wem du gehen sollst. Wenn man selbst Therapeutin ist, ist es bestimmt schwer, jemanden zu finden … du weißt schon, mit dem man beruflich sonst nichts zu tun hat. Aber eine Therapie ist wirklich nötig, Eve. Ich habe dich noch nie so erlebt. Du
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