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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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sie fort: »Sie hören sich doch sehr kultiviert an, die kleinen Mädchen sind allerliebst, und Estelle könnte dann ihre Eltern besuchen.«
    »Es sind aber wirklich furchtbar affektierte Leute«, sagte ich zweifelnd. »
    Giselle ist völlig neurotisch, und Hubert ist ein schrecklicher Snob. Ich habe ihn einmal erlebt, wie er eine ganze Gesellschaft eingeschläfert hat, der er seinen Stammbaum beschrieb. Giselle dagegen neigt eher zum Dramatischen; sie hat Ohnmachtsanfälle. Als ich in Paris mit ihnen verkehrte, war ich ja noch Arzt, und Giselle bestand darauf, daß ich der einzige wäre, der sie wieder zu sich bringen konnte, wenn sie einen Anfall hatte. Das wurde auf die Dauer ziemlich lästig.«
    Ich begann Estelles Improvisationskünste zu begreifen. Nur der Anfang war schwer; es galt, sich über eine zeitlebens gewohnte Ehrlichkeit hinwegzusetzen.
    Wenn man erst einmal damit angefangen hatte, ging es bald wie von selbst.
    »Aber so hast du sie den Theissens nicht geschildert«, sagte Elisabeth. Sie hatte ein pikiertes Glitzern in den Augen, das aber gleich wieder verlosch. Ich habe selten erlebt, daß sie mir so direkt widersprach, und ganz gewiß niemals vor Dritten. Erschrocken fand ich mich zum Kompromiß geneigt.
    »Ich habe gar nichts gegen Besuch«, sagte ich.
    »Wir sehen nie jemanden hier.«
    »Ich dachte, du wärst zufrieden, so wie es ist.«
    »Das bin ich auch.«
    »Von mir aus können wir ruhig Gäste haben. Platz ist ja genug da. Mit der Jagd ist es allerdings nicht weit her, bis die Rotwildsaison beginnt.«
    »Einige der Bäder müßten hergerichtet werden.«
    »Ich werde Brod entsprechende Anweisungen geben.«
    »Würdest du das wirklich tun?« Sie schien hoch erfreut.
    »Natürlich. Es ist ohnehin fällig. In Budapest komme ich mit allen möglichen Leuten zusammen, durch diesen politischen Zirkel dort, weißt du. Eine viel unterhaltsamere Gesellschaft als diese du Barrys.«
    Es ist nicht weiter schwer zu improvisieren. Im Grunde ist es sogar zu leicht und geht sehr schnell mit einem durch.

    Jakob wartete geduldig im Hof, die Pferde an den Zügeln. Ich prüfte die Gewehre in ihren Lederhüllen, die an den Sätteln befestigt waren. Die Sonne stand noch hoch; es war zwar etwas bewölkt, aber das Licht reichte aus. Ich sah hinauf, um anhand der Wolkenbewegung zu ermessen, wie der Wind in höheren Lagen wehen würde.
    »Aus Südosten«, sagte Jakob, der meinen Gedankengang erriet.
    Unser Ziel war heute ein Teil des Waldes, in dem Jakob unlängst Bärenspuren gesichtet hatte. Gregor und ich ritten beschwingt los, als wären wir wieder sechzehn, galoppierten durch das Schloßtor und fegten um die Kurve der Auffahrt. In gestrecktem Galopp ging es die Straße entlang, die sich durch Obstgärten um den Hügel windet, und am Flußufer dann weiter stadtauswärts, auf dem Saumpfad, der in die Berge hinaufführt. Als der Weg steil und steinig wurde, ließen wir die Pferde in Schritt fallen.
    »Oberst Rado ist ein ziemlich kauziger Typ, nicht wahr?« sagte ich. Wir waren schon eine Weile schweigend nebeneinanderher geritten, und ich hielt es für eine gute Gelegenheit, ein bißchen mehr über die Ungarische Liga zu erfahren.
    »Rado? Tja, ich weiß auch nicht«, erwiderte Gregor.
    Ich war überrascht. »Ich dachte, du bist schon eine ganze Weile bei der Liga?
    Das hat Rado jedenfalls angedeutet, als er mich zum Beitritt überreden wollte.«
    »Nein, eigentlich nicht besonders lange. Ich bin nur wegen deines Onkels beigetreten. Er wollte es unbedingt, und da dachte ich, warum soll ich dem alten Mann die Freude nicht machen.«
    »Du hast nie etwas davon gesagt.«
    »Es schien mir nicht weiter wichtig.«
    »Aber wenn es nicht wichtig war, dann hättest du es mir doch ruhig erzählen können.« Ich wunderte mich selbst, wie verletzt ich mich fühlte, daß er mich aus diesem Bereich seines Lebens herausgehalten hatte, daß ich von einer anderen Loyalität verdrängt worden war.
    Gregor warf mir einen prüfenden Blick zu. »Ich mußte schwören, daß ich niemandem was sage. Du kennst das doch. Du hast es selbst mitgemacht.«
    »Aber du hättest mich doch trotzdem einweihen können?«
    »Du vergißt, daß Geheimhaltung zu meinem Beruf gehört.«
    »Aber wenn du schon die ganze Zeit bei der Liga bist, wie kommt es dann, daß du nie zu den Treffen nach Budapest gefahren bist?«
    »Das ist alles ganz unverbindlich. Sie erwarten nicht, daß man an allen Zusammenkünften teilnimmt, und schon gar nicht, wenn man weiter weg

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