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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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Charme eingebüßt.
    Lothar hat zugenommen, was ihm ein gemütlicheres und runderes Aussehen verleiht, auch wenn er keineswegs stämmig ist. Sein Haar ist dünn geworden, und er trägt es geölt und flach nach hinten gekämmt, so daß er im Profil wie ein Delphin aussieht: unbezähmbar fröhlich und gewandt.
    »Und was möchten Sie trinken?« fragte er.
    »Tee«, sagte ich.
    »Unsinn!« sagte er und verzog das Gesicht. »Wie war's mit einem Whisky?«
    »Ein bißchen früh für mich!« rief ich ihm nach, als er durch einen Türbogen zu einer Anrichte im Eßzimmer ging. Er hat noch das gleiche großspurige Auftreten wie früher.
    »Ach, kommen Sie, seien Sie kein Spielverderber«, sagte er und schwenkte ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit in meine Richtung. »Das ist das einzige von dieser schottischen Mode, das ich ertragen kann. Elisabeth, sagen Sie ihm, daß er mir ein Gläschen nicht verwehren kann, um diese Wiedervereinigung alter Freunde zu feiern.«
    Zu meinem Erstaunen lachte Elisabeth laut auf, als wären sie schon alte Freunde, und ich bewunderte wieder einmal Lothars ungeheure Fähigkeit, auf Anhieb zu durchschauen, wie die Dinge zwischen den Menschen standen.
    »Ich wäre die letzte, die Ihnen da im Weg stehen würde«, sagte sie fröhlich.
    Vielleicht um zu zeigen, daß sie in ihrem Haushalt die Hosen anhatte, ließ Nicole sich nun mit einem Anflug von Strenge vernehmen: »Lothar, ich finde, wenn ihr uns nicht beim Tee Gesellschaft leisten wollt, solltet ihr euren Whisky in der Bibliothek trinken. Außerdem haben wir Frauen noch einiges unter uns zu bereden.«
    Elisabeth lächelte zustimmend und gab mir einen kleinen Wink. Sie führt meinen Zustand auf eine ungesunde Beschäftigung mit mir selbst zurück und findet, ich müsse abgelenkt werden und mich mehr in Gesellschaft begeben. Hat sie die Absicht, Lothar zu einem Teil dieses Rehabilitierungsprogramms zu machen? Man kann sich kaum jemanden vorstellen, der für diese Rolle weniger geeignet wäre – es sei denn, er hätte sich in der Zwischenzeit bekehrt, was seinem Aussehen nach sehr zu bezweifeln ist. Sollten wir eine Tour durch die Unterwelt unternehmen oder durch die Vorhöfe der Hölle, wäre Lothar ein großartiger Kumpan, da er sich hier schon bestens auskennt.
    »Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, ist es mit mir ganz schön bergab gegangen«, vertraute er mir sofort an.
    »Tut mir leid, das zu hören«, sagte ich und warf einen Blick auf sein Glas.
    »Nein, nicht der Schnaps«, korrigierte er mich. »Die Sünden des Fleisches.
    Pferdefleisch, um genau zu sein.«
    Ich sah wohl etwas verdutzt drein, denn ich hatte selbstredend angenommen, daß eventuelle Schwierigkeiten in seinem Leben mit seiner Schwäche für eine gewisse Sorte von Frauen zu tun hatte.
    »Das auch«, sagte er. »Aber es waren die Rennwetten, die mich zu Fall gebracht haben.«
    »Abgesehen vielleicht vom Börsenmarkt, habe ich Sie nie für einen großen Hasardeur gehalten.«
    »Damit hat es angefangen – erinnern Sie sich? –, mit diesem Tip damals von Nicoles Vater. Er hat sich grandios verspekuliert, und ich habe eine ganze Menge Geld gemacht. Und dabei habe ich es nicht einmal gebraucht«, seufzte er nostalgisch.
    »Sie waren sehr großzügig mit Ihren Gewinnen, wie ich mich erinnere.«
    »Und Sie haben es alles für Stacia ausgegeben!«
    Ich warf einen unbehaglichen Blick zur Tür, schluckte und tat mein Bestes, ein verlegenes Grinsen zustande zu bringen.
    Lothar legte den Finger an die Lippen. »Ihr Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben«, sagte er augenzwinkernd, mit der unzuverlässigsten Gaunermiene, die man sich nur vorstellen konnte. Er legte mir vertraulich die Hand aufs Knie.
    »Aber Sie wissen, daß ich einfach nicht anders kann, als Sie ein bißchen zu foppen, alter Junge. Sie sind so verdammt ernsthaft, einfach eine unwiderstehliche Zielscheibe!«
    »Ich bin froh, daß ich Sie amüsiere«, sagte ich süß-säuerlich.
    »O Gott! Sie haben sich kein bißchen verändert!«
    Das fand er offenbar urkomisch, und während er mit zurückgeworfenem Kopf lachte, überlegte ich, wie einfach es wäre, ihm in dieser günstigen Haltung die Kehle aufzuschlitzen. Lothar mußte meine Augen auf dieser exponierten Körperpartie gefühlt haben, denn er hörte schlagartig auf zu lachen und betrachtete prüfend mein Gesicht. Wer weiß, wonach er suchte – Zeichen von Weisheit, die mir der Verlauf der Zeit gebracht haben mochte? Wenn ja, dann versuchte er gewiß

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