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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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seines ruinierten Stocks und schüttelte frustriert den Kopf.
    Mir fiel keine schlagfertige Antwort ein, mit der ich meine Würde hätte wiedergewinnen können. Innerlich kochte ich vor Wut, doch je länger ich sprachlos vor ihm stand, um so machtloser fühlte ich mich.
    Ich drehte mich um und stolzierte mit hoch erhobenem Kopf davon.
    Wenigstens vor denjenigen, die außerhalb der Hörweite zugesehen hatten, wollte ich mein Gesicht wahren. Jakob hatte eine Hand tief in seinen Lederbeutel gesteckt, während ihn einer der Kavalleriezigeuner mit einer Hand auf der Schulter in Schach hielt. Er begann sich zu wehren, als ich näher kam, aber ich winkte ab. Stephanie stand hinter ihm. In ihren Augen funkelte eine unwiderstehliche Mischung aus Lust und Angst.
    »Sie waren wunderbar«, hauchte sie.

    Ich legte den Arm um ihre Schulter und geleitete sie in Sicherheit. Jakob diente als Nachhut, wobei er sich trotzig weigerte, dem Feind den Rücken zuzukehren.
    »Ich fühle mich schwach«, sagte sie.
    Tatsächlich sackte sie gegen mich, so daß ich sie stützen mußte. Trotzdem schien sie noch schwächer zu werden, und ich fragte mich, ob sie überhaupt in der Lage war, die kurze Strecke bis zur Kutsche zu bewältigen.
    »Würden Sie mir erlauben, Sie zu tragen?« schlug ich vor.
    »Wenn Sie vielleicht...«
    Da sie es anscheinend wollte, verstärkte ich meinen Griff. Unter den Falten ihres Mantels spürte ich ihre Brust, und sie ließ zu, daß ich sie an mich drückte.
    »Ich fühle mich schon besser«, sagte sie und winkte ihren Eltern in der Kutsche zu.
    Während wir langsam weitergingen, stahlen sich meine Finger zwischen den Riemen ihres Korsetts hindurch. Ich spürte ihr Herzklopfen.
    Lothar war aus der Kutsche gestiegen, um Stephanie den Arm zu reichen, aber am Ende brauchte sie unsere Hilfe gar nicht und konnte ohne Schwierigkeit hinaufsteigen. Nicole und Elisabeth machten viel Aufhebens um sie, doch sie wehrte ab.
    »Es war nur der Schock«, beharrte sie. »Es ist bestimmt gleich wieder vorbei.«
    »Dieser Lump hat Ihnen mit seinem Stock gedroht!« sagte Lothar zu mir, als wir wieder in der Kutsche saßen.
    »Und hat eine Beleidigung geschrien.« Stephanie hatte schnell ihre Kraft wiedergewonnen und achtete darauf, daß keine Einzelheit der Begegnung ausgelassen wurde. »Aber Sie haben sich umgedreht und ihn zur Rede gestellt.
    Haben Sie gesehen? Der Zigeunerchef hat ein Messer gezückt, aber László hat ihm die Stirn geboten.«
    »›Ein Messer gezückt?‹« fragte Nicole. »Stephanie, wo hast du denn bloß diese Redewendung aufgeschnappt?«
    »Wir haben es alle gesehen«, sagte Elisabeth stolz.
    »Ihre Tapferkeit verdient alle Anerkennung«, erklärte Lothar. Wie um seine Worte zu betonen, klopfte er mir mit seinem Gehstock aufs Knie. »Das ist eine mißliche Lage, bei der einem seine gesellschaftliche Stellung nichts hilft – ja, sich sogar gegen einen richten kann. Diese Burschen kennen keine Achtung vor höheren Rängen.«
    Bald, allzu bald, war die Fahrt zu Ende. Stephanie hatte sich wieder in ihr Fell gehüllt und blieb die ganze Zeit stumm. Aber ich fühlte ihre Gegenwart wie ein warmes Glühen, und wann immer ich zufällig in ihre Richtung blickte, begegnete ich ihrem starren, katzenartigen Blick, der auf mir ruhte.
    Als wir das Schloß erreichten, ging Inspektor Kraus vor dem Tor auf und ab.
    Ich stöhnte innerlich auf. Offensichtlich hatte sich Brod für das harte Verhör in der Bibliothek vergangene Woche gerächt, indem er sich weigerte, Kraus Zutritt zum Schloß zu gewähren.

    »Da ist wieder dieser Bursche, der hier immer herumhängt«, sagte Lothar.
    »Wer zum Teufel ist das eigentlich?«
    »Nur jemand aus der Stadt«, erwiderte ich.
    »Benimmt sich wie einer, dem man Geld schuldet«, sagte Lothar.
    Nicole warf ihm einen bösen Blick zu, wohl um ihm zu zeigen, daß sie derlei Witze für geschmacklos hielt. Daraufhin breitete sich peinliches Schweigen aus.
    Doch wir konnten die Situation unmöglich auf sich beruhen lassen. Wir mußten ihre Neugier dämpfen, und sei es auch nur mit einer flüchtigen Erklärung.
    Elisabeth und ich fingen beide gleichzeitig zu sprechen an.
    »Er ist Polizist«, erklärte sie.
    »Ich habe ihm medizinischen Rat erteilt«, sagte ich.
    »Soll das heißen, daß Sie die letzten Augenblicke der Ermordeten aus all den blutrünstigen Einzelheiten rekonstruiert haben?« fragte Stephanie aufgeregt.
    Ich holte tief Luft. »Eigentlich ja«, gestand ich.
    »Aber mußten Sie... es sich

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