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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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vor.
    Zunächst versuchte ich ihn mit allen möglichen Geräuschen zu wecken – er schlummerte weiter. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als auf die sanfte Methode zu verzichten. So schritt ich beherzt über seine ausgestreckten Beine hinweg, nahm den Schlüssel und drehte ihn mit größter Sorgfalt langsam im Schloß herum. Die Tür stammt aus dem Mittelalter, und dementsprechend massiv ist das Schloß. Damit die Feder, die den Riegel betätigt, nicht gleich wieder zurücksprang, mußte ich meine ganze Kraft aufbieten. Dann endlich hatte ich es geschafft. Ich stieß die Tür auf und trat in die kalte Nachtluft hinaus.

    Brod schlief weiter. Die Tür quietschte, als ich sie wieder zumachte. Hastig steckte ich den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn herum. Diesmal kam es mir auf möglichst viel Getöse an. Der Riegel sprang mit einem gewaltigen Knirschen zurück. Ich fürchtete schon, das Geräusch hätte in der Stille der Nacht die anderen Schloßbewohner geweckt. Nun, zumindest war jetzt Brod endlich aufgewacht. Hilflos rüttelte er an der versperrten Tür.
    Mit freudigen Schritten lief ich die Straße hinunter. Der Halbmond schien über meine Ländereien; mein Blick schweifte über die schlafende Stadt. Einen Augenblick lang drängte es mich, sämtliche Fesseln abzuwerfen, auf jede Täuschung und Heimlichtuerei zu verzichten und nur noch meiner wilden Natur zu folgen. Aber dann hielt ich mich doch lieber an meinen Plan. Meine Zeit wird noch kommen.
    Ich ging schnell, um einen möglichst großen Vorsprung vor Brod zu gewinnen. Ganz auszuschließen war es ja nicht, daß er die anderen Diener aus den Betten holte. Andererseits hätte er dann zugeben müssen, daß er geschlafen hatte, statt über mich zu wachen. Außerdem ist Brod ein Eigenbrötler, der andere nur ungern um Hilfe bittet. Nein, so wie ich ihn kannte, rannte er in diesem Moment bestimmt zur Küchentür. Um auf die Straße zu gelangen, würde er durch den Hof zurücklaufen müssen, und erst dann würde er mich erblicken.
    Im Mondlicht würde mein seidener weißer Opernschal, den ich elegant über die Schulter geworfen hatte, gewiß prächtig zur Geltung kommen.
    Wie erwartet, hatte sich Brod allein an meine Fersen geheftet. Und er holte auf. Das Klappern seiner Absätze kam immer näher. Aber nun ging ihm langsam die Luft aus. Als ich die Bahngleise erreichte und meine Schritte noch einmal beschleunigte, fiel er schnell wieder zurück. Freilich blieb ich für meinen Verfolger gut sichtbar, solange ich den Schienen folgte. Dann jedoch bog ich in den Trampelpfad ein, der sich zwischen Gestrüpp und jungen Bäumen hindurchschlängelt. Der Wind trug Tabakgeruch zu mir, und schon bald drang das gedämpfte Gebrummel von Männerstimmen an mein Ohr.
    »Sie kommen spät«, zischte Inspektor Kraus. Er schien ziemlich angespannt.
    Ganz offensichtlich setzte er große Hoffnungen in diese Begegnung.
    »Keinen Augenblick zu früh«, keuchte ich. »Er kommt hier entlang, auf diesem Weg. Ihre Leute müssen sofort in Deckung gehen, sonst sieht er sie am Ende noch.«
    Kraus gab den Polizisten hastig Zeichen, und sie verschwanden in den Schatten der Nacht. Ich kroch neben Kraus hinter einen Busch und wartete. Es dauerte eine schiere Ewigkeit, und allmählich machte ich mir Sorgen, daß Brod mich aus den Augen verloren haben könnte; dann endlich hörte ich ihn durch das Unterholz brechen. Kurz blieb er stehen, wohl um sich zu orientieren, dann lief er geradewegs auf uns zu. Ich fürchtete bereits, er würde in einen der Polizisten hineinlaufen, noch bevor er die Lichtung erreichte, aber das dichte Gestrüpp zwang ihn zu Umwegen. Unmittelbar vor uns verharrte er. Wir konnten ihn keuchen und vor sich hin fluchen hören. Er lauschte jetzt nach mir, ging ein paar Schritte in die eine Richtung, um dort nach mir zu spähen, und versuchte es dann in der entgegengesetzten Richtung. Da wir es nicht wagten, den Kopf zu heben, konnten wir nichts sehen. Wir waren ausschließlich auf die Geräusche angewiesen. Und die legten den Schluß nahe, daß jemand den Boden nach etwas absuchte, das er verloren hatte.
    Am Ende fand er zu meiner Erleichterung den Weg zur Lichtung, die wir umzingelt hatten. Brod sah sich im gespenstischen Dämmerlicht des jungen Mondes um, keuchte vor Erschöpfung und schwankte fast. Und er war völlig außer sich. Ein ums andere Mal schlug er sich zornig auf den Schenkel, als wollte er sich zu größeren Anstrengungen anspornen oder sich für seine

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