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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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füllte es erneut. Ich sprach den nächsten Toast. »Auf Nicole!« rief ich.
    »Auf die süße Nicole«, erwiderte er, während er mich die ganze Zeit über den Rand seines Glases hinweg beobachtete. »Möge sie nie zwischen uns treten«, fügte er im letzten Augenblick hinzu, als ich gerade zu trinken begonnen hatte.
    Er sagte es im selben Augenblick, als ich schluckte, und ich hatte das gleiche Gefühl wie vorhin in der Schneiderwerkstatt, nämlich, daß mir etwas entgangen war.
    »Sind Sie...« Mir fiel in diesem Augenblick kein harmloses Wort ein für etwas, das wie eine beiläufige Frage klingen sollte.
    »Interessiert?« schlug Lothar vor.
    »Ja«, sagte ich mit einer vagen Handbewegung, und er grinste wie ein Raubtier. »Sind Sie an Nicole interessiert?« fragte ich nochmals.
    »Sind Sie?«
    »Eigentlich kenne ich sie kaum.«
    »Was hat das denn damit zu tun? Man kann doch auch so... interessiert sein?«
    »Ich habe sie vor sehr langer Zeit gekannt. Wir waren noch Kinder.«
    »Aber Kinder sind so intensiv. Reine Liebe und reiner Haß!«
    »Ja, das stimmt. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. «
    »Ob ich an Nicole interessiert bin?« Er drehte den Stiel seines Glases nachdenklich zwischen Finger und Daumen und starrte mich mit einem rätselhaften Lächeln an. »Ich finde Sie viel interessanter.«
    Ich hatte mich nach vorn gebeugt, um zu hören, was er sagen würde, und muß erschrocken in meinem Stuhl zurückgefahren sein. Ich war mir nicht sicher, was ich gehört hatte, aber Lothar griff schon nach der Flasche, um nachzuschenken, sein Benehmen war ruhig und gelassen, als wäre nichts zwischen uns vorgefallen. Vielleicht hatte ich die ganze Sache falsch verstanden. Er ist nicht weibisch. Er zeigt keinerlei Verhaltensweisen oder Gesten, die auf eine gleichgeschlechtliche Neigung hindeuten würden.

    »Sie ist Ihrer nicht würdig«, fuhr er fort, und ich hatte nicht die Absicht, ihn an dem, was er vor einem Augenblick gesagt hatte, festzunageln. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und entzog sich dem intimen Kreis des Kerzenlichts; sein Gesicht lag im Schatten, und sein Ausdruck war nur undeutlich zu erkennen. Er sprach von ihr auf eine müde und erschöpfte Art, etwas gereizt, so daß ich mich fragte, ob Nicole ihn schon abgewiesen hatte.
    Endlich kam unser Essen. Wir hatten beide Hunger, und die Gerichte sahen köstlich aus. Einige Minuten lang widmeten wir uns dem Essen, ohne etwas zu sagen, was uns die willkommene Gelegenheit gab, das Thema zu wechseln.
    Lothar fragte mich nach meiner Arbeit am Salpêtrière und interessierte sich für Charcots Freitagsvorlesungen. Sein besonderes Interesse galt den besonders extremen und bizarren Verhaltensweisen, einschließlich sexueller Abweichungen. Ich sagte ihm, daß ich über diese Syndrome gelesen hätte, daß ich aber noch keine Gelegenheit gehabt hätte, sie leibhaftig zu studieren – ein unbeabsichtigtes Wortspiel, das ihn amüsierte, worüber ich mich freute, denn ich bin nicht gerade geschickt darin, mir bei passender Gelegenheit einen Witz einfallen zu lassen. Ich glaube, das kam von dem Champagner, der meine Zunge gelöst haben mußte und dazu führte, daß ich ziemlich lustig wurde. Gegen Ende des Essens brüllte Lothar (und ich ebenfalls) bei fast allem, was ich von mir gab, vor Lachen.
    »Und jetzt müssen wir mit unseren wissenschaftlichen Forschungen fortfahren«, sagte er.
    Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was er meinte, und stolperte in den Landauer, der wie immer vor der Tür auf uns wartete, als wäre er wie durch einen Zauber dorthin gelangt.
    »Rue de Londres«, rief Lothar dem Kutscher zu, beugte sich nach vorn und umklammerte meine Knie, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Das wird Ihnen gefallen, das verspreche ich Ihnen. Viel mehr Spaß als mit Nicole.« Dann brach er in Gelächter aus. Ich schätze, wir waren beide schon ziemlich betrunken.
    Das Haus, vor dem wir hielten, sah absolut respektabel aus. Lothar sprang aus dem Wagen, aber ich blieb sitzen.
    »Wo sind wir hier?« fragte ich unsicher.
    »Es ist das beste seiner Art«, grinste Lothar.
    »Es ist ein Bordell«, sagte ich ausdruckslos.
    »O nein, das ist ein viel zu weltlicher Begriff für diesen Ort.«
    »Ich finde, das hätten Sie mir vorher sagen müssen.«
    Er legte die Arme auf die Tür der Kutsche und sah mich neugierig an. »Sie haben doch wohl keine Skrupel, oder?«
    »Seien Sie nicht albern!« protestierte ich.
    »Bestimmt sind Sie es sich selbst

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