Das geheime Leben des László Graf Dracula
Hauses.« Ich fragte mich, wohin das alles führen würde, fühlte mich aber auf sicherem Boden und nippte entspannt an meinem Champagnerglas. Aber was Lothar dann sagte, versetzte mich doch in Erstaunen.
»Ich habe dabei eher an die Besonderheit Ihres Hauses gedacht. Hat es da nicht irgendeine Art optischen Mechanismus gegeben?« fragte er.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden.« Obwohl ich es natürlich sehr wohl wußte, aber ich merkte, daß er das Spiel nicht noch weiter treiben würde.
Es hat etwas Aufregendes, ja Erotisches, beinahe erkannt zu werden. Stacia hatte meine Hand zwischen ihre Schenkel gelegt, und ich hatte das Gefühl, daß sie mir damit erlaubte, meine Hand noch weiter nach oben zu schieben, was ich vorsichtig tat und unter dem dünnen Stoff des Musselinrocks die Innenseite ihrer Schenkel abtastete. Dabei sah ich Lothar in die Augen, forderte ihn auf, seine These weiterzuentwickeln. Vorsichtig schob ich meine Hand immer weiter nach oben, fast bis zu den Toren der Venus, als ich einer anderen Hand begegnete, die das Objekt meiner Wünsche bedeckte. Stacias andere Hand lag entspannt über meiner, erlaubte und ermutigte mein heimliches Forschen. Ich streichelte die scheuen Finger, die mir den Weg versperrten, und wollte sie durch die sanfte Berührung überreden, mich vorbeizulassen. Stacia lächelte mich ermutigend an, dann hob sie das Champagnerglas an ihre Lippen und trank mit sichtlichem Genuß, während meine Gefühle wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen. Die Finger, die an diesem intimen Ort mit meinen verschlungen waren, konnten unmöglich die ihren sein!
Ich fuhr entsetzt zurück und wäre gerne aufgesprungen, um Lothar zu stellen, aber ich wollte ihn nicht noch mehr amüsieren, indem ich ihm zeigte, wie erregt ich war.
»Für Sie ist wohl alles ein Spaß!« rief ich.
»Mehr oder weniger«, stimmte er mir leichthin zu.
»Sie haben einen verdorbenen Charakter!«
»Haben wir den nicht alle? Gibt es zwischen Ihnen und mir wirklich einen so großen Unterschied? Ich bin nur ehrlich mit mir, das ist alles.«
»Besitzen Sie überhaupt kein Schamgefühl?«
»Das gibt sich mit der Zeit. Nicht wahr, Suzanne?«
Ich ergriff Stacias Hand und sprang, sie mitziehend, auf. Solange ich gesessen hatte, war mein Gleichgewicht nicht auf die Probe gestellt worden, aber jetzt mußte ich feststellen, daß ich in aufrechter Position weitaus weniger stabil war als erwartet. Stacia hakte sich bei mir unter, um mich zu stützen, und bevor ich wußte, wie mir geschah, gingen wir die Treppe nach oben.
Ein Tagebuch sollte von den bedeutenden Ereignissen im Leben seines Verfassers berichten. Dies war also meine erste Liebesnacht. Liebe! Ich hatte mir das alles so romantisch vorgestellt, aber als ich über die Türschwelle jenes Zimmers trat und Stacia die Tür hinter uns schloß, da habe ich alle ritterlichen Vorstellungen, alle wissenschaftlichen Motive der Beobachtung, alle Beschwörungen eines Dichters und alle zarten Gefühle eines Liebenden aufgegeben. Ich war ein wildes Tier.
4
28.MAI 1866, AM MORGEN
iemlich besorgt gehe ich heute wieder in das Hôpital. Es läßt sich Z unmöglich noch länger hinausschieben. Vorgestern hat Roland an meine Tür geklopft, um nach mir zu sehen. Er hat auch meine Nachricht zu Dr.
Ducasse gebracht, in der ich diesem mitteilte, daß ich mich nicht wohl fühle.
»Zuviel Alkohol«, sagte ich zu Roland. »Aber am Montag bin ich wieder dort.«
»Passen Sie auf Ihre Leber auf«, riet er mir. »Sie ist das einzige Organ im Körper, ohne das ein Mensch nicht auskommt.«
Der Alkohol war aber nicht der wirkliche Grund, warum ich mich schlecht fühlte. Vielmehr habe ich einen gehörigen Bammel davor, Stacia von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Ich hatte körperlichen Kontakt zu einer Patientin! Ich habe keine Angst, daß sie mich bei Madame Verdun verraten könnte, denn wenn sie das täte, müßte ich ihre nächtliche Tätigkeit offenlegen.
Im Grunde ist es die Angst davor, in ihrem Gesicht den Ekel zu sehen, den ich selbst für mich empfinde. Ich habe mich wie ein Tier gebärdet, habe mich auf ihr gewälzt und an jedem Teil ihres Körpers gelutscht. Ich bin völlig außer mir.
Ich schaudere bei jedem Detail, das mir unverhofft durch den Kopf geht. Ich weiß nicht, wie sie es ausgehalten hat. Aber vielleicht habe ich mich auch gar nicht viel schlimmer benommen als die anderen Gäste, die diese Frauen bei ihrer Arbeit ertragen müssen. Ich
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