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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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darf nicht zulassen, daß mir solche Überlegungen als Entschuldigung für mich selbst dienen.
    Und Nicole? Ich habe sie betrogen. Ich war rein geblieben, wenn nicht für sie, dann für eine andere, die ich noch nicht kannte, der ich am Ende aber meine Liebe schenken würde. Und was bin ich jetzt?
    Nur ein weiterer schnell zu habender und mittelloser Mann in der Stadt.
    Lothar, der an der Oberfläche so glatt ist, so weltmännisch, hat sich als ein degenerierter Kerl entpuppt. Er übt einen perversen, korrumpierenden Einfluß auf mich aus. Ich werde ihn nicht wiedersehen. Lothar ist so offen zynisch, daß alle zu glauben geneigt sind, dies sei nur eine Pose, hinter der er sein insgeheim sensibles, zurückhaltendes Wesen verbirgt. Niemand nimmt ihn beim Wort. Er besitzt kein Schamgefühl. Das sagt er ganz offen, aber niemand glaubt es ihm.
    Anscheinend unterliegt er wirklich nicht den normalen Zwängen der Gesellschaft. Gewissen, Skrupel, Ideale, Anstand – solche Gedanken sind ihm fremd. Schon allein das ist ein Phänomen, das es wert wäre, untersucht zu werden. Aber ich kann diese Beziehung nicht fortsetzen, selbst wenn mich dieser Mann aus rein wissenschaftlichen Gründen interessiert. Außerdem ist er seiner sexuellen Veranlagung nach zweifellos vieldeutig.
    Ich glaube mich zu erinnern, daß Lothar eine versteckte Andeutung über irgendeinen »optischen Mechanismus« machte. Zuerst dachte ich, er wüßte tatsächlich darüber Bescheid, aber inzwischen scheint mir diese Annahme ziemlich weit hergeholt. Es war wohl nur ein Glückstreffer. Lothar flicht in seine Reden alle möglichen Andeutungen und Doppeldeutigkeiten ein. Er legt sie aus wie Angelhaken, um anderer Leute Geheimnisse damit einzufangen.
    Nichts kann ihn mehr entzücken, als ein mit Schuld beladenes Geheimnis ans Tageslicht zu bringen. Aber er kann gar nicht wissen, daß der Begriff für mich tatsächlich eine Bedeutung hat. Es war nur ein Versuch, mehr nicht. Trotz allem habe ich heute morgen beschlossen, in diesem Tagebuch absolut ehrlich zu sein
    – auch schroff, wenn es sein muß. Es ist das einzige Mittel gegen mein kürzliches Verhalten.
    Mein Vater hatte ein starkes, wenn auch laienhaftes Interesse an der Wissenschaft und hatte eine ganze Sammlung optischer Instrumente zusammengetragen, die nach seinem Tod an mich gegangen sind, da Georg keine Verwendung für sie zu haben schien. Dazu gehörte auch ein Teleskop von ungewöhnlicher Stärke. Wie peinlich, hier davon berichten zu müssen! Ich hatte diesen Vorfall schon fast vergessen. Oder jedenfalls hatte ich mir gewünscht, ihn vergessen zu können.
    Die Wasserversorgung im Schloß war – und ist – außerordentlich primitiv.
    Sie besteht aus wenig mehr als nach unten führenden Rinnen, die sich an der Nordseite in die Überreste des mittelalterlichen Burggrabens ergießen. Folglich ist es keine einfache Sache, ein Bad zu nehmen, denn es ist dazu eine ganze Schar Diener nötig, die heißes Wasser aus den Küchen herbeischleppen, was wiederum Organisation und Überwachung erforderlich macht, wenn das Bad voll werden soll, bevor das Wasser abkühlt. Daher ist ein Bad zu nehmen ein großes Ereignis im Schloßhaushalt, das einer vorherigen Anmeldung bedarf.
    Als Tante Sophie und Nicole zu Besuch bei uns waren, habe ich mit der optischen Ausrüstung meines Vaters, vor allem mit dem Teleskop in Verbindung mit einem kleinen Spiegel, herumexperimentiert. Ich fand heraus, daß ich, indem ich den Spiegel in einem genauen Winkel aufbaute, um die Ecke sehen konnte. Dieses System kostete mich Stunden mühsamer Feinarbeit, da eine kleine Veränderung des Winkels, in dem der Spiegel aufgestellt war, dazu führte, daß ich einen Riß in der Decke betrachtete anstatt den Türknauf, auf den ich mich zu konzentrieren versuchte. Darüber hinaus gab es, nachdem ich das Prinzip erst einmal beherrschte, nicht sehr viel Interessantes, auf das ich meine neue Errungenschaft hätte anwenden können.
    Tante Sophie und Nicole waren daran gewöhnt, häufig zu baden. Das sei in Paris so der Brauch, sagte mir damals meine Mutter. Ich nehme an, wir müssen ihnen ziemlich ungewaschen vorgekommen sein. An der Seite des Hofes, die dem Badezimmer gegenüberlag, waren die alten Festungsmauern, ein Ort, an den man nicht gerade entlanggehen würde, wenn oben jemand ein Bad nahm, und so machten die Diener im Sommer die Fenster des Zimmers auf, um eine kühle Brise hereinzulassen. Ich konnte von meinem Schlafzimmer aus nicht direkt

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