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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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grausam zu Ihnen, aber Sie dürfen jene Zeit damals nicht einfach abtun. Ich habe Sie geneckt – das wissen Sie. Ich habe Sie gelockt, ich habe Sie zurückgestoßen, ich habe Ihre Hoffnungen geweckt und sie dann mit meiner Kälte zerschlagen. Sie sollten glauben, daß es die Launen eines jungen Mädchens waren, das gar nicht wußte, was es tat. Aber es war alles Berechnung und Absicht. In Wirklichkeit war ich gar nicht so unschuldig, wie ich getan habe.«
    »Warum erzählen Sie mir das?« fragte ich. Ich hatte kein Bedürfnis nach weiteren Verletzungen.
    »Mich hatte noch nie jemand geliebt«, sagte sie mit einem verzweifelten Ausdruck im Gesicht. »Ich hatte es noch nie erlebt. Ich wußte nicht, wie ich damit umgehen sollte.«
    »Sie haben Ihre Gefühle gut verborgen.«
    »Das mußte ich. Ich hatte Angst. Mama und ich hatten großen Respekt vor Ihrer Familie. Damals haben wir das alles hier noch nicht besessen.« Sie deutete mit einer Handbewegung auf unsere Umgebung, aber dann hielt sie inne, und ich glaube, ihr wurde zum erstenmal bewußt, wie luxuriös ihr Zuhause war.
    »Damals haben wir ganz bescheiden gelebt.« Sie seufzte. »Alles ist so vergänglich.«
    »Aber wir wohnten in einer alten, eingefallenen Ruine«, sagte ich.
    »Ich habe ein ehrwürdiges altes Bauwerk gesehen, das schon viele Jahrhunderte im Besitz Ihrer Familie war. Sie wissen gar nicht, wie romantisch mir alles vorgekommen ist – schon der Gedanke daran. Wochen, bevor wir losgefahren sind, hat Mama mir beigebracht, wie ich mich in den Kreisen der Aristokratie zu benehmen habe, aus welchen Gläsern ich Wein trinken muß, welche Gabel ich für die verschiedenen Fische benutzen sollte. Bis wir ankamen, hatten wir uns schon in einen ziemlichen Zustand hineingesteigert.
    Aber lange bevor wir losgefahren sind, hatte ich mir in den Kopf gesetzt, Sie zu erobern. Sie sollten mein Prinz sein, genauso wie im Märchen. Mama wollte, daß Sie sich in mich verlieben, auch wenn ich gar nicht wußte, was das war. Sie waren der Sohn des Grafen. Sehen Sie, man hat mich schon vorher bange gemacht.«
    Während sie sprach, hatte ich an das zugige alte Schloß denken müssen mit seinen brackigen Burggräben und seinen verfallenen Dächern. Wenn man seine Phantasie anstrengte, konnte man vielleicht sagen, daß es an einem heiteren sonnigen Tag einen gewissen mittelalterlichen Charme besaß, aber daß ein Besucher es als imposant oder auf irgendeine Weise vornehm ansah, fand ich erstaunlich.
    »Wie fremd wir uns waren«, sagte ich mit einem bitteren Lachen. »Und ich dachte, Sie würden mein altersschwaches Zuhause und unsere provinzielle Lebensart verachten!«

    »Ich dachte, wenn ich Sie verführen könnte, würden Sie gar nicht merken, wie gewöhnlich ich war.«
    »Sie waren niemals gewöhnlich, Nicole.«
    »Ich habe mich bemüht, Sie zu verführen.«
    »Das ist mir nie aufgefallen.«
    »Sie sollten es auch nicht merken, Sie sollten nur die Anziehung fühlen.«
    »Woher wußten Sie, was Sie tun mußten?«
    »Das habe ich mir gedacht. Ich habe versucht, mich an Dinge zu erinnern, die Mama immer zu ihren Freunden gesagt hat, wenn sie nicht wußte, daß ich zugehört habe. Und dann kam alles wie von selbst, ohne es zu planen –«
    »Zu planen?« Das Wort traf mich hart.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, und ich sah den Schmerz in ihrem Gesicht, der nicht geringer gewesen sein kann als mein Schmerz. »Ich möchte Ihnen sagen: So hat alles angefangen. Aber das war noch nicht alles und auch nicht der wichtigste Teil von allem.«
    »Ich komme mir wie ein Narr vor.«
    »Nein!« Sie streckte die Hand aus und ergriff meinen Arm. »Bitte!« Ich war von der Stärke ihrer Finger überrascht, von der Eindringlichkeit ihrer Gefühle.
    »So war es nicht wirklich.«
    »Wie war es dann?« fragte ich, wie ein waidwundes Tier voranstürmend, verrückt vor Schmerzen.
    »Ich habe Sie geliebt.«
    »O nein!« Ich wandte mich unwillkürlich von ihr ab.
    Nicole trat dicht hinter mich. Ich konnte ihre schnellen Atemzüge hören und sog den Duft ihres Parfüms ein, der von dem Moschusgeruch ihrer Haut durchdrungen war. Erst zögernd, dann, als ich sie nicht abschüttelte, immer fester, drückte sie ihre Hand an meinen Rücken, und ich spürte ihre Wärme, die sich mit einer herrlichen schmerzenden Präsenz in meinem Körper ausbreitete und durch ihn hindurchströmte. Ihr Kopf lag an meiner Schulter, ruhte fast auf ihr aus, und sie flüsterte in mein Ohr: »Ich hatte Angst. Ich hatte Angst,

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